Weiter Druck machen – gegen den Bildungsnotstand: Bürgerrat Bildung und Lernen verlängert sein Engagement

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BONN. Lehrkräftemangel, PISA-Schock, „ein System am Anschlag“ (wie es der Nationale Bildungsbericht aktuell beschreibt): Die Not in den Kitas und Schulen ist groß. Wer hier nachhaltige Lösungen vorschlagen möchte, benötigt Zeit. Deshalb wird der Bürgerrat Bildung und Lernen – ein bundesweit einmaliges, unabhängiges Gremium aus zufällig ausgewählten Menschen in Deutschland – nun zwei Jahre länger als ursprünglich geplant weiterarbeiten. Das Ziel: Gemeinsame Empfehlungen formulieren, um die Politik ins Handeln zu bringen. „Der Bürgerrat Bildung und Lernen hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass er etwas bewegen kann, zum Beispiel bei den Themen Teilhabe und Chancengerechtigkeit“, sagt Sabine Milowan, Projektleiterin und Leiterin der Montag Stiftung Denkwerkstatt, die das Projekt initiiert hat.Es geht auch darum, vorhandene Freiräume zu nutzen, die das Bildungssystem ermöglicht.“

Beim Bürgerrat Bildung und Lernen kommen auch Kinder und Jugendliche zu Wort. Foto: Montag Stiftung Denkwerkstatt / Christoph Soeder

Regelmäßiger Austausch, das Abwägen von Pro- und Contra-Argumenten, Abstimmungen über konkrete Empfehlungen: All das gehört zur Arbeit von Bürgerrät*innen, die in den vergangenen Jahren in verschiedenen Bereichen auf sich aufmerksam gemacht haben. Ihr Ziel ist es, dass gesellschaftlich wichtige Fragen nicht nur auf parlamentarischer Ebene diskutiert werden, sondern dass Bürger*innen aktiv in die Suche nach Lösungen einbezogen werden. Auch der Bürgerrat Bildung und Lernen hat nun über drei Jahre ganz unterschiedliche Menschen zusammengebracht, damit sie im Sinne einer lebendigen Demokratie gemeinsam über gesellschaftliche und bildungspolitische Fragen diskutieren. Welche Probleme und Herausforderungen müssen im Bildungsbereich dringend bearbeitet werden? Wie könnten bildungspolitische Reformen aussehen, die Probleme lösen und gleichzeitig in der Gesellschaft mehrheitsfähig sind? Und: Wie soll gerechte Bildung in Zukunft aussehen?

„Für mich war die Arbeit im Bürgerrat eine Schule in Sachen Demokratie, die mich ein Stück weit demütig macht hinsichtlich der wichtigen Arbeit unserer Politiker*innen. Dass wir unter Menschen, die sich sonst nie so getroffen hätten, eine so konstruktive Zusammenarbeit trotz teilweise deutlich divergierender Perspektiven haben, macht mich für die Zukunft mutig und zuversichtlich“, sagt Katharina Roos aus Neuried bei München, eine der beteiligten Bürgerinnen. Insgesamt setzt sich der Bürgerrat Bildung und Lernen aus mehr als 700 zufällig ausgewählten Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland zusammen. Zugleich ist er aktuell der einzige Bürgerrat, der auf Bundesebene aktiv ist und auch Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren einbezieht. Zunächst war die Arbeit des Bürgerrats auf drei Jahre angelegt und sollte Ende 2023 enden. Doch nun wurde der Zeitraum um zwei Jahre verlängert. Das Ziel bleibt das gleiche: trotz unterschiedlicher Sichtweisen gemeinsame Empfehlungen erarbeiten, die Einfluss auf die Bildungspolitik in Deutschland nehmen.

Die bisherigen Empfehlungen des Bürgerrats

Insgesamt 15 Empfehlungen hat der Bürgerrat Bildung und Lernen bereits in mehreren Schritten erarbeitet. Diese hat er im Juni 2023 an die Präsidentin der Kultusministerkonferenz übergeben. Die übergeordnete Frage lautete: Wie müssen Rahmenbedingungen aussehen, um in der Bildung echte Chancengleichheit zu schaffen? Dabei haben die Autor*innen Vorschläge für die drei Bereiche frühkindliche Bildung, allgemeinbildende Schulen sowie berufliche Bildung formuliert. Zu diesen gehören beispielsweise „eine verbindliche Förderung der Sprachkompetenz in Kindertagesstätten“, „die Ausweitung des Fachpersonals an Schulen“, „längeres gemeinsames Lernen“ sowie eine „engere Verzahnung von Schulen und Betrieben“.

„Ich würde sagen, wir haben schon eine Menge Aufsehen erreicht. Das ist gut, denn nur wenn so viele Leute wie möglich über uns und unsere Forderungen Bescheid wissen, kann sich etwas im Bereich Schule und Bildung verbessern“, sagt die Schülerin Ronja (14) aus Jena rückblickend. Gleichzeitig reiche es nicht, wenn die Verantwortlichen über die Forderungen nur Bescheid wüssten. Es müsste weiterhin Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit möglichst viel auch in die Tat umgesetzt werden.

Grundsätzlich haben die Empfehlungen des Bürgerrats Bildung und Lernen dafür gesorgt, zivilgesellschaftlichen Druck auf die Entscheider*innen auszuüben. Die Teilnehmenden haben deutlich gemacht, was die Menschen in Deutschland derzeit bewegt und was sie von der Politik erwarten. Wichtige bildungspolitische Weichenstellungen sind gefragt – und tatsächlich bewegt sich etwas, so beim 20 Milliarden Euro umfassenden Startchancen-Programm von Bund und Ländern, mit dem Schulen in sozial besonders herausfordernden Lagen ab dem kommenden Schuljahr unterstützt werden sollen.

Wie geht es weiter?

„Wir bleiben auf jeden Fall dran!“, stellt die Bürgerrätin Katharina Roos fest. „Die Energie ist entfacht, die Ergebnisse sind so gut, dass wir nicht zugucken werden, wenn sie bei denen, die das Sagen haben, in den Schubladen verschwinden.“ Nachdem der Fokus der ersten drei Jahre auf der Frage nach gerechten Chancen lag, will der Bürgerrat Bildung und Lernen den Blick nun weiten – und sich einem neuen inhaltlichen Schwerpunkt zuwenden. Geplantes Fokus-Thema für die nächste Runden: „Mehr Freiräume für Bildung / Bildungserfolg vor Ort gestalten“. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen wie:

  • Was sollte unternommen werden, um in Schulen, Kitas und auch in der beruflichen Bildung mehr Gestaltungsräume zu ermöglichen?
  • Wie können sie das, was andere (Schulen, Kitas oder auch andere Länder) bereits erfolgreich praktizieren, selbst übernehmen – möglichst unbürokratisch?
  • Und anderseits, welche Standards sollten einheitlich für alle Bildungseinrichtungen gelten?

Unlängst fand dazu ein erster Themen-Workshop des Bürgerrats in Bonn statt. Es folgen Tagungen in Köln sowie in Leipzig.

Zum Hintergrund des Bürgerrats

Ins Leben gerufen wurde der Bürgerrat Bildung und Lernen 2020 von der Montag Stiftung Denkwerkstatt. Diese unabhängige, gemeinnützige Stiftung gehört zu den Montag Stiftungen in Bonn und hat sich zur Aufgabe gemacht, gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen, den konstruktiven Austausch zu fördern und Veränderungsprozesse anzustoßen. Anders als die meisten Bürgerräte wurde der Bürgerrat Bildung und Lernen nicht von einem politischen Gremium beauftragt.

Besonders ist außerdem die Tatsache, dass beim Bürgerrat Bildung und Lernen schon Kinder und Jugendliche in die Arbeit einbezogen werden. Mehr als 250 Schülerinnen und Schüler bis 16 Jahren haben in verschiedenen Schulwerkstätten diskutiert und zum Thema „Wie wollen wir lernen?“ eigene Vorschläge entwickelt, die sie unter der Überschrift „Hört uns zu!“ veröffentlicht haben. „Wir wollen mitentscheiden, WAS wir lernen und WIE wir lernen“, lautet eine ihrer zentralen Forderungen.

www.buergerrat-bildung-lernen.de

Pressekontakte:

Sabine Milowan
Leiterin Montag Stiftung Denkwerkstatt
Pressesprecherin
Telefon +49 (0) 228 26716-633
s.milowan@montag-stiftungen.de

Stephan Tarnow
Planpunkt
Mobil 0171/4140835
tarnow@planpunkt.de

Dies ist eine Pressemeldung der Montag Stiftung Denkwerkstatt.

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