Ex-Ski-Profi Felix Neureuther will schon Kita-Kindern Freude am Sport vermitteln

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DÜSSELDORF. Das Fitnessniveau von Kindern sinkt; aktuell weist darauf das Fitnessbarometer der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg hin (News4teachers berichtete). Auffällig: Der Anteil an übergewichtigen Kindern nimmt nach dem Wechsel von der Kita in die Grundschule deutlich zu. Es geht also darum, Kindern nicht nur frühzeitig, sondern auch nachhaltig Freude an Bewegung zu vermitteln. Diesem Ziel hat sich Felix Neureuther, erfolgreichster deutscher Ski-Weltcupfahrer, verschrieben. Über seine Beweggründe und das speziell für den Kita-Bereich entwickelte Bewegungsprogramm sprach er mit News4teachers.

Mit seinem Bewegungsprogramm „Beweg dich schlau!“ will Felix Neureuther unter anderem Kindertagesstätten unterstützen, schon die Jüngsten niedrigschwellig in Bewegung zu bringen. Foto: ServusTV/Alexander Gruber

News4teachers: 2020 haben Sie die Felix-Neureuther-Stiftung gegründet, mit dem Ziel, Bewegung und Gesundheit – besonders bei Kindern und Jugendlichen – zu fördern. Was war der Anlass für diese Entscheidung?

Felix Neureuther: Ich habe in meiner sportlichen Karriere so viel Unterstützung erhalten, dass ich das Bedürfnis habe, etwas zurückzugeben. Bei uns zu Hause hatte der Sport schon immer einen besonderen Stellenwert. Früh durfte ich mitbekommen, wie es sich anfühlt, sich ein Ziel zu setzen und zusammen mit Eltern, Trainer*innen und Freund*innen darauf hinzuarbeiten. Diese Gefühle sind es, die uns körperlich und mental stark machen. Doch viele unserer Kinder können diese Erfahrungen gar nicht machen, da ihnen der Zugang zum Sport fehlt. Corona hat die Situation weiter verschlechtert. Das hat gravierende Folgen für jedes Kind persönlich und für die Gesellschaft insgesamt. Bewegung und Sport sind essenzielle Grundlagen für eine gesunde Zukunftsentwicklung. Genau deshalb engagiere ich mich in diesem Bereich mit meiner eigenen Stiftung.

News4teachers: Über Ihre Stiftung bieten Sie mit Ihrem Bewegungsprogramm „Beweg dich schlau!“ ganz praktische Unterstützung bei der Bewegungsförderung. Das dazugehörige Kita-Modul richtet sich bereits an Kinder ab einem Jahr. Wieso setzt Ihr Angebot so früh an?

Neureuther: Grundsätzlich ist „Beweg dich schlau!“ für alle Menschen geeignet, egal welcher Altersgruppe. Die Übungen sind auch für Senior*innen super, um nicht nur körperlich, sondern auch mental fit zu bleiben. Ansetzen wollen wir aber dennoch möglichst früh, um Kindern von Beginn an einen gesunden und bewegungsorientierten Lebensstil und Freude an der Bewegung zu vermitteln. Damit legen wir ein wichtiges Fundament, auf das sie später zurückgreifen und aufbauen können.

News4teachers: Das „Beweg dich schlau!“-Programm soll sowohl die motorischen als auch die kognitiven Fähigkeiten fördern. Wie sieht das beispielhaft in der Praxis mit Kita-Kindern aus?

Zum Kita-Modul des Bewegungsprogramms „Beweg dich schlau!“ gehören Boxen mit Spiel- und Sportgeräten. Foto: Brauer Photos/S.Brauer

Neureuther: Unsere Übungen sind so angelegt, dass die Kinder – egal, wie sportlich sie sind – sie schaffen und schnell ein Erfolgserlebnis haben. Das bringt Spaß an der Bewegung. Und nur wer Spaß am Sport hat, bleibt dabei. Idealerweise ein Leben lang. Wir versuchen auch die Kinder abzuholen, die vielleicht schon übergewichtig sind, die bisher noch keinen Zugang zum Sport hatten oder aktuell noch total unmotiviert sind. Und das gelingt uns. Jede teilnehmende Kita erhält von uns eine Box mit qualitativ hochwertigen Spielgeräten und Karten, die die Übungen erklären und weitere Alternativen anbieten. Zudem gibt es kindgerechte und lustige Videos mit Bewegungsübungen und dem Programm-Maskottchen Fauli, einem Faultier. Außerdem wird das Kitapersonal in Workshops von unseren erfahrenen „Beweg dich schlau!“-Coaches geschult. Das Team begleitet die Pädagog*innen dauerhaft und steht bei Fragen auch immer zur Verfügung. Die Kita muss hier nicht jeden Tag drei Stunden Programm bieten. Kleine Einbindungen in den Alltag sind ja auch schon ein Schritt in die richtige Richtung.

News4teachers: Wie lässt sich das Bewegungsprogramm in den Kita-Alltag integrieren?

Neureuther: Das funktioniert super. Unser Ziel ist ja nicht, den Pädagog*innen mehr Arbeit zu machen, sondern sie in ihrem Alltag zu entlasten. Und das tut das Programm, das zudem für die Kita kostenlos ist. Die Kinder kommen selbst auf total kreative Ideen, wie sie die Materialien noch verwenden können. Vor allem aber kann jedes Kind mitmachen, egal ob sportlich oder nicht. Gemeinsam mit Ravensburger haben wir zudem innovative Trainingsmodule entwickelt. Diese sechs Module können in der Kita an der Wand montiert werden und halten nochmal ganz andere Herausforderungen bereit. Auch hier ist das Ziel, die Erzieher*innen zu entlasten und die Kids mit spannenden Aufgaben zu beschäftigen, aber auch zu fordern.

News4teachers: Ihr Bewegungsprogramm haben Sie in Kooperation mit der Technischen Universität München entwickelt. Welche Rolle spielte die wissenschaftliche Begleitung dabei?

Neureuther: Alle Inhalte sind durch mehrjährige Praxis erprobt, dennoch ist der wissenschaftliche Input für uns sehr wichtig. Wir haben den Anspruch, uns kontinuierlich weiterzuentwickeln und unsere Übungen den Bedürfnissen der Teilnehmenden, aber auch den wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen. Beispielsweise durchlaufen all unsere Coaches regelmäßig Workshops, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein und die Pädagog*innen bestmöglich unterstützen zu können. Insgesamt haben in den vergangenen Jahren 68.000 Kinder aus 134 Schulen und 371 Kitas an unserem Programm teilgenommen.

News4teachers: Mit Ihrem Bewegungsprogramm besuchen Sie auch selbst Kindertageseinrichtungen und führen die Übungen gemeinsam mit den Kindern durch. Was ist Ihre Erfahrung: Wie lassen sich Kinder am besten zu Bewegung motivieren?

Neureuther: Eigentlich müssen die Kinder gar nicht motiviert werden, denn der Bewegungsdrang und die Spielfreude stecken in ihnen drin. Leider wird das im Laufe der Schulzeit abtrainiert, weil sie so viel sitzen. Nach ein paar Stunden können sie sich nicht mehr konzentrieren und es bleibt beim Lernen nichts hängen. Das kann aber nicht die Lösung sein. Bei „Beweg dich schlau!“ fördern wir sie nicht nur körperlich, sondern auch kognitiv und trainieren damit auch ihr Gehirn. Wir merken immer wieder, dass die Kids echt schnell dazulernen. Oft setzen sie die kognitiven Übungen besser um als Erwachsene. Wichtig ist aber, dass wir Erwachsene mit gutem Beispiel voran gehen und selbst Freude an der Bewegung haben: Wenn wir bei Regen nicht drinnen bleiben, sondern raus in die Natur gehen, wenn wir selbst neue Übungen ausprobieren und uns nicht gleich entmutigen lassen, wenn etwas nicht klappt und wenn wir selbst aktiv sind, viel zu Fuß gehen oder radeln statt immer gleich das Auto zu nehmen. Wir können von den Kindern nicht nur mehr Bewegung einfordern, wir müssen das auch selbst vorleben!

News4teachers: Und wenn Sie an Ihre eigene Kindheit zurückdenken: Was hat bei Ihnen die Begeisterung für körperliche Bewegung geweckt?

Neureuther: Wir leben ja – schon als Kind – von Träumen. Und wie schön ist es, wenn man seinen Traum letzten Endes auch erfüllen kann? Als kleines Kind hatte ich den Traum, Skirennfahrer zu werden. Den Traum durfte ich leben. Mein großes Vorbild früher war der Skirennläufer Alberto Tomba. Für mich der mit Abstand coolste Typ aller Zeiten. Ich wollte immer so sein wie er. Und dann durfte ich ihn in Garmisch-Partenkirchen beim Weltcuprennen als Startnummernkind kennenlernen und mein Idol das erste Mal treffen. Das war für mich ein ganz entscheidender Moment und eine Riesenmotivation. Danach wollte ich Skifahrer werden.

News4teachers / Anna Hückelheim, Agentur für Bildungsjournalismus, führte das Interview.

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Das Interview mit Ex-Ski-Profi Felix Neureuther ist zunächst in der Ausgabe 2/2024 der Zeitschrift DIE KITALEITUNG erschienen. Das aktuelle Heft widmet sich der Frage, in welchen Bereichen sich externe Kooperationen in der Kita-Praxis lohnen und zeigt beispielhaft zwei Möglichkeiten auf. Im ersten Themenschwerpunkt erfahren Kitaleitungen, wie sie die Bewegungsförderung in ihrer Einrichtung in Zusammenarbeit mit einem Sportverein ausbauen können. Der zweite Themenschwerpunkt fokussiert auf die herausfordernde Phase des Übergangs von der Kita in die Grundschule und bietet Anregungen, wie eine Kooperation mit den Verantwortlichen der nächsten Bildungsstufe, also der Grundschule, diesen Prozess erleichtern kann – sowohl für die Kinder als auch die Pädagog*innen.

Produziert von der Agentur für Bildungsjournalismus (die auch News4teachers inhaltlich gestaltet) im Auftrag des Informationsdienstleisters Wolters Kluwer erscheint DIE KITALEITUNG seit 2018 vierteljährlich.

Die digitale Version der Ausgabe 2/2024 können Sie hier kostenfrei herunterladen – eine gemeinsame Aktion von Wolters Kluwer und der Agentur für Bildungsjournalismus.

Bewegungsmangel bei Kindern: Sind übervorsichtige Eltern schuld?

 

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