„Dieses Programm muss erfolgreich werden!“ Interview mit Prof. Kai Maaz, Direktor des DIPF, über die Chancen von Startchancen

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FRANKFURT. Angekündigt ist es als das größte Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik: das Startchancen-Programm. Ob es jedoch ein Erfolg wird, muss sich in den nächsten Jahren erst noch beweisen. Woran Erfolg oder Misserfolg hängen kann, ordnet Kai Maaz, Bildungsforscher und Geschäftsführender Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF), im Interview ein. Er ist sich sicher: Soll das Startchancen-Programm ein Erfolg werden, muss die ganze Schule in den Blick genommen werden, nicht nur der Unterricht – und es braucht Visionen vor Ort, damit sich nachhaltig etwas verändern kann.

Kai Maaz, Geschäftsführender Direktor des DIPF. Foto: fotorismus für DIPF

News4teachers: Das Startchancen-Programm ist als Meilenstein und größtes Bildungsprojekt angekündigt worden. Kann dieses Programm die hohen Erwartungen Ihrer Meinung nach auch erfüllen?

Kai Maaz: Die bildungspolitische Zielsetzung des Programms ist wirklich einzigartig und im Grundsatz absolut richtig. Dass man innerhalb von zehn Jahren den Anteil der Kinder und Jugendlichen, die den Mindeststandard in den Basiskompetenzen nicht erreichen, halbieren möchte, ist sogar fast schon visionär. Ob man das erreichen wird oder nicht, sei erst mal dahingestellt. Aber ich halte es für wichtig, dass es diese Zielsetzung erst einmal überhaupt gibt. Vergleichbar wurde das zuletzt 2008 beim Bildungsgipfel in Dresden formuliert. Damals hat Angela Merkel gefordert, den Anteil der Schulabgänger*innen ohne Abschluss zu halbieren. Zielführend ist es definitiv auch, das Geld wie geplant nicht mit der Gießkanne auszuschütten, sondern wirklich dahin zu geben, wo die Bedarfe am größten sind. Ob das letztendlich wirklich so umgesetzt wird, kann ich nicht einschätzen. Dazu weißt ich zu wenig über einzelnen Auswahlmechanismen in den Ländern.

News4teachers: Was braucht es denn, damit das Programm wirklich erfolgreich wird?

Maaz: Wirklich erfolgreich wird das Programm meines Erachtens nur sein können, wenn es über die Enge des Fachunterrichts hinaus Schule als Lern- und Lebenswelt adressiert. Da gilt eine alte Binsenweisheit: Wenn man den Unterricht verbessern will, darf man nicht nur am Unterricht ansetzen, sondern muss das System Schule als Ganzes in den Blick nehmen und weiterentwickeln. Vor dieser Aufgabe steht auch das Startchancen-Programm. Die verschiedenen Säulen legen ja nahe, dass man Schule systemisch betrachtet und nicht nur neue Unterrichtsprogramme entwickelt und implementiert. Die wird es auch geben, aber man muss, glaube ich, auch stärker auf die anderen Bereiche schulischen Lernens schauen. Man sollte etwa die Verzahnung im Sozialraum berücksichtigen. Zudem sollte geklärt werden, unter welchen Bedingungen in den geförderten Schulen überhaupt Unterricht erfolgen kann. Dort kumulieren sich ja oft viele Problemlagen. Es ist zum Beispiel immer die Frage, ob den Lehrpersonen ein Block von sagen wir mal 45 Minuten tatsächlich zur Verfügung steht. Können sie direkt mit dem Unterricht beginnen oder brauchen sie erst einmal 20 Minuten, um eine unterrichtsähnliche Situation zu schaffen? Bei manchen Kindern ist es nun mal wichtig, zunächst Beziehungsarbeit zu leisten, bevor man überhaupt mit Unterrichtskonzepten starten kann.

News4teachers: Würden Sie sagen, dass es der richtige Schritt ist, die Schulen selbst über die Verwendung des Geldes bestimmen zu lassen? Das kann ja innerhalb der vorgegebenen Säulen des Startchancen-Programms geschehen.

Maaz: Meiner Ansicht nach ist es auf der einen Seit richtig, dass die Schulen selbstbestimmt über die Verwendung der Gelder entscheiden können. Sie wissen, wo ihre Bedarfe sind, und sollen dort auch investieren und Angebote einkaufen können. Auf der anderen Seite haben wir in anderen Programmen die Erfahrung gemacht, dass der Blick auf die eigene Schule mitunter sehr verengt sein kann. Ich habe Gespräche mit Schulleitungen im Rahmen des Programms „Schule macht stark“ geführt, in denen mir sofort gesagt wurde: „Wir brauchen keine Unterstützung in Mathe und Deutsch. Da läuft alles.“ Dann habe ich gesagt: „Lassen Sie uns vielleicht noch einmal zusammen schauen, auch indem wir Befragungen durchführen, Daten erheben und Gespräche führen. Und dann betrachten wir das Bild aus verschiedenen Perspektiven.“ Dabei hat man sehr schnell gesehen, dass es doch einen Bedarf gibt. Auf dieser Basis wurden dann Programme und Unterstützungsmaßnahmen ausgewählt. Das heißt, Schulen sind unterschiedlich weit in der Analyse dessen, was sie an Unterstützungs- und an Entwicklungsbedarfen haben. Das betrifft vor allem Schulen in schwieriger Lage. Durch die hohe Fluktuation beim Fachpersonal haben wir teilweise auch eine hohe Instabilität bei den Schulleitungen. Eine gute und langfristig arbeitende Schulleitung, die die Schule gut kennt und wichtige Ziele kontinuierlich verfolgt, ist eine Grundvoraussetzung. Ohne sie wird es schwierig.

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News4teachers: Geht das Startchancen-Programm auf dieses Problem der hohen Fluktuation auch ein?

Maaz: Ja, deshalb ist es auch ein zweiter Ansatzpunkt von Startchancen, dass in den zehn Jahren möglichst nicht nur in die Schulen hinein investiert wird, sondern auch deren Unterstützungssysteme professionalisiert werden. Dazu zählen Schulberater, Schulaufsichten oder Schulentwickler. Gemeinsam mit diesen soll versucht werden, Schulen möglichst kohärent und systematisch weiterzuentwickeln. In den vergangenen 20 Jahren, nach PISA, haben wir viele Programme entwickelt, auch aus der Forschung heraus, in denen es darum geht, den Unterricht zu verbessern. Kleine und große Programme, wenn Sie an zum Beispiel an BiSS [„Bildung durch Sprache und Schrift“, Anm. d. Red.], QuaMath [„Unterrichts- und Fortbildungs-Qualität in Mathematik entwickeln“, Anm. d. Red.] oder „Mathe besser können“ denken. Aber alles andere, was schulisches Handeln betrifft, wurde dabei nicht ausreichend adressiert. Mittlerweile gibt es zwar Bildungsstandards, die überprüft werden. Es gibt aber wiederum keine wirklich geteilten Standards, was gute Schulentwicklungsarbeit ist oder wie gute Vernetzung im Sozialraum aussieht. Wir brauchen hier, glaube ich, andere Formen der Qualitätsentwicklung und der Qualitätssicherung.

News4teachers: Wenn ich mir vorstelle, ich bin in einer Schulleitung und bekomme jetzt Geld aus dem Startchancen-Programm, wie kann man denn entscheiden, an welcher Stelle es richtig eingesetzt ist? Also, wen könnte ich fragen, oder wo könnte ich ansetzen?

Maaz: Es wird ja so sein, dass die Schulen nicht völlig autonom arbeiten, sondern sich in Netzwerken organisieren. Die Schulen werden von den eben schon angesprochenen Unterstützungssystemen in den Bundesländern begleitet, um in den Austausch zu gehen und bei der Auswahl von bestimmten Maßnahmen Hilfe zu erhalten. Letztendlich ist das Chancenbudget, das den Schulen zur Verfügung steht, gar nicht so groß. Mit dem Geld muss man strategisch klug umgehen. Bevor man Maßnahmen implementieren kann, braucht es meiner Ansicht nach eine Vision. Wo möchte diese Schule nach zwei, fünf oder zehn Jahren Startchancen-Programm stehen? Auf dieser Basis sollte man auf zielgerichtete und langfristige Lösungen achten. Denn wir wissen aus vielen Evaluationsstudien, dass jede noch so gute temporäre Insellösung im günstigsten Fall nur kurzfristige Wirkung in der Schule oder im System erzielt. Wenn sie nicht nachhaltig ist und nicht mit dem rückgekoppelt wird, was in Schule täglich passiert, wenn sie nicht angebunden wird an Visionen und Ziele, dann verhallen die Effekte schnell. Dann lohnt es sich nicht, 20 Milliarden Euro über 10 Jahre auszugeben.

News4teachers: Was macht Ihrer Ansicht nach grundsätzlich ein gutes Bildungsprogramm aus?

Maaz: Am Anfang muss eine geteilte Zielperspektive stehen. Und darüber müssen sich alle beteiligten Akteure einig sein. Wenn die Schulaufsicht beispielsweise andere Ziele mit der Schule verfolgt als die Schulleitung und das Kollegium, wird es schwierig. Es müssen alle an einem Strang ziehen und es braucht eine kohärente Struktur. Es gibt bereits viele verschiedene Förderprogramme für Schulen. „Schule macht stark“ ist beispielsweise für die Schulen in schwieriger Lage gedacht. Für die Förderung begabter Schüler gibt es „Leistung macht Schule“. QuaMath unterstützt den Aufbau mathematischer Kompetenzen und BiSS in Deutsch. Hinzu kommen viele länderspezifische Programme wie „S hoch 4“ oder „23+“. Erfolgreich werden diese Programme meines Erachtens nur dann sein, wenn all die Maßnahmen, die das System anbietet, aufeinander abgestimmt sind und auch wirklich in die gleiche Richtung gehen. Nehmen wir den Fall, dass jetzt mit Startchancen Unterstützungsangebote für Schulen entwickelt werden, vielleicht für den Fachunterricht oder aber auch für die Professionalisierung des Personals, die es schon in zehn anderen Programmen oder über die Landesinstitute gibt. Dann fragen sich die Schulleitungen natürlich: „Warum kommt das jetzt noch dazu? Warum kann man das nicht miteinander abstimmen? Warum bekomme ich aus drei unterschiedlichen Referaten aus dem Ministerium Post, wenn es um die Förderung von Basiskompetenzen geht?“

Um es noch einmal deutlich zu machen: Es steht nicht nur die Einzelschule im Fokus oder die viertausend Einzelschulen, sondern auch die Steuerungslogiken in den Ländern. Wie kommen eigentlich Innovationen in den Unterricht? Wie werden unterschiedliche Bildungspartner auch außerhalb des Unterrichts mit einbezogen? Wie wird in den Ländern, in denen beispielsweise der Ganztag nicht von der Schule von der Kinder- und Jugendarbeit organisiert wird, eine Verzahnung hergestellt? Kohärente Handlungsabläufe und Steuerungslogiken halte ich für einen ganz entscheidenden Faktor.

Wenn die Schulaufsicht beispielsweise andere Ziele mit der Schule verfolgt als die Schulleitung und das Kollegium, wird es schwierig.

 

News4teachers: Wenn Sie sich jetzt das Startchancen-Programm anschauen, gibt es etwas, das man hätte anders machen können oder das man in Zukunft mitdenken sollte? Oder wäre es zu empfehlen, erst einmal abzuwarten?

Maaz: Abwarten ist aus meiner Sicht keine Option. Wir können jetzt nicht zehn Jahre warten und dann 2034 feststellen: Das hat nicht funktioniert. Dieses Programm muss meines Erachtens erfolgreich werden. Deswegen ist es wichtig, dass es wissenschaftlich begleitet wird und die Aktivitäten unabhängig von der wissenschaftlichen Begleitung evaluiert werden. Wenn man dann merkt, dass bestimmte Ziele nicht erreicht werden, sollte man auch den Mut haben, Korrekturen vorzunehmen. Das kann dann eben auch bedeuten, an verschiedenen Stellen bewusst umzusteuern. Die Startphase des Programms hat bereits viel Bewegung in das System gebracht. Zugleich ist aber noch nicht klar, wie genau die Strukturen aussehen sollen – was beispielsweise die genannte wissenschaftliche Begleitung oder die Evaluation angeht. All das müsste eigentlich parallel erfolgen, wofür es vor dem Start einen längeren Vorlauf braucht.

Darüber hinaus muss es ein weiteres Ziel sein, eine Wirklogik zu entwickeln, anhand derer wir erkennen, an welchen Stellen im System wir intervenieren müssen. Wie werden die Schulen angesprochen? Wo werden die Unterstützungssysteme angesprochen und professionalisiert? Das hätte meines Erachtens alles im Vorfeld passieren müssen. Im Gesamtprogramm ist das jetzt nur in einem zeitlich sehr begrenzten Umfang angelegt.

News4teachers: Welche Schwierigkeiten sehen Sie vielleicht noch?

Maaz: Ein weiterer Punkt ist, dass das Startchancen-Programm in der Grundschule beginnt und damit ungewollt suggeriert, dass Bildungsungleichheiten dort ihren Anfang nehmen. Kompetenzunterschiede zwischen Kindern aus sozial begünstigten und sozial benachteiligten Familien entstehen aber nicht allein in der Grundschule, sondern vor allem in den ersten sechs Jahren davor. Daher lautet meine Hypothese: Wenn wir nicht den Bereich der frühen Bildung systematisch und nachhaltig stärken und in die Förderlogik einbinden, werden diese Programme nicht erfolgreich sein. Die Schule wird das nicht aufholen können, was in den ersten sechs Jahren an Differenzen außerhalb des Schulsystems bereits entstanden ist. Deswegen finde ich es gut, wenn man sich bildungspolitisch relativ schnell überlegt, auch den Bildungsauftrag der frühen Bildung erheblich stärker mit in den Fokus zu nehmen.

News4teachers: Kann Schule ungleiche Startchancen von Kindern denn zumindest ausgleichen?

Maaz: Es ist wie gesagt wichtig, Ungleiches auch ungleich zu behandeln und mehr Ressourcen dorthin zu lenken, wo Bedarfe sehr groß sind. Man kann dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen an diesen Schulen besser werden, indem beispielsweise die besten Lehrkräfte dort tätig werden müssten, weil die Herausforderungen an diesen Schulen auch am größten sind. Zudem müssen entsprechende Förderprogramme für einen besseren fachlichen Unterricht entwickelt werden. Und über den Fachunterricht hinaus müssen die verschiedenen Ebenen miteinander verzahnt werden. Wenn man außerschulische Bildungsanbieter ganz bewusst und zielgerichtet integriert, kann man Ungleichheit verringern. Um das aber auch gleich klarzustellen: Man wird den Anteil derjenigen, die die Mindeststandards nicht erreichen, wahrscheinlich nicht halbieren können. Dazu braucht es auch den angesprochenen vorgelagerten Bereich. Dort werden die Grundlagen gelegt und finden viele Entwicklungsschritte statt.

Es gibt eine sehr eindrucksvolle Analyse von Daten des nationalen Bildungspanels, die glaube ich vor drei Jahren veröffentlicht wurde. Die zeigt sehr schön, dass ein Großteil der Leistungsunterschiede bereits in den ersten drei beziehungsweise in den ersten sechs Jahren entstanden ist. Das wurde anhand eines Entwicklungsindexes der Kinder gemessen. Die Kinder beginnen dann mit völlig ungleichen Bedingungen ihre Schullaufbahn. Zudem finden sich möglicherweise in bestimmten Gegenden besonders viele Kinder mit ungünstigen Lernvoraussetzungen. Das ist meist genau dort, wo auch die Schulen aus dem Startchancen-Programm liegen. Zugleich werden diese Kinder zuhause oft nicht ausreichend unterstützt und gefördert. Dennoch gelingt es vielen Schulen gut, auch diese Kinder mitzunehmen und für sie Bildungsangebote zu schaffen. Aber das ginge natürlich besser.

News4teachers: Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen, mit denen sich Schulen in schwieriger sozialer Lage konfrontiert sehen? Und wie kann das Startchancen-Programm dort Abhilfe schaffen?

Maaz: Schulen in schwieriger sozialer Lage haben große Probleme, Lehrpersonal zu rekrutieren. Wir sehen zum Beispiel, dass an diesen Schulen der Anteil des fachfremden Unterrichts höher ist als etwa an Gymnasien. Wir haben dort auch einen höheren Anteil von Seiteneinsteiger*innen. Und bei den Leitungspositionen an diesen Schulen gibt es wie gesagt auch weniger Kontinuität. Teilweise sind diese Stellen über längere Zeit vakant und die Schule wird kommissarisch von einem anderen Schulleiter oder einer anderen Schulleiterin mitgeleitet.

Schauen wir auf die Kinder, so wurden viele von ihnen nicht ausreichend gefördert. Und die Lehrkräfte müssen eben teilweise einen nicht unerheblichen Teil ihrer Unterrichtszeit darauf verwenden, um erstmal für den Unterricht passende Bedingungen herzustellen. Gleichwohl gibt es viele Lehrkräfte, die aus Überzeugung gerade in solchen Schulen arbeiten. Umso wichtiger ist es, Anreize zu schaffen. Die Rahmenbedingungen sollten für das Personal nicht nur erträglich sein. Sie brauchen Entlastungen, um mehr Zeit für die pädagogische Arbeit zu haben.

News4teachers / Laura Millmann, Agentur für Bildungsjournalismus, führte das Interview.

Informationen zum Experten
Der Bildungsforscher Prof. Dr. Kai Maaz ist seit 2019 Geschäftsführender Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) in Frankfurt a.M. und Berlin. Zu seinen Arbeitsbereichen gehören unter anderem Bildungsungleichheiten und Abbau von Bildungsbarrieren. Er ist zudem Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Bildungssysteme und Gesellschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt.

Inzwischen ist klar, dass das Bundesbildungsministerium das DIPF mit der wissenschaftlichen Begleitung des Startchancen-Programms beauftragt hat. Es wird einen interdisziplinären Forschungsverbund geben, der das Programm über die gesamte Laufzeit belgeiten soll und dessen Leitung Kai Maaz übernehmen wird. Zum Zeitpunkt des Interviews stand dies jedoch noch nicht fest.

Mehr Informationen unter: www.dipf.de

Startchancen-Programm: Welche Leistungen Schulen damit einkaufen können

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Hans Malz
16 Tage zuvor

Wer sitzt denn jetzt in den Sommerferien da und erarbeitet alles (in dem Fall Vergleich von Lern- und Förderplattformen)? Der Herr Professor sicher nicht. Der redet von Visionen. Klar, die Arbeit machen dann andere. Trotzdem ist die Förderung eine gute Sache.

Ich hoffe, dass nach Auslauf der Förderung dann auch für Anschluss gesorgt ist – so wie z.B. beim Digitalpakt … ne Spaß

Palim
15 Tage zuvor
Antwortet  Hans Malz

Ich frage mich, wen der Professor und Direktor unter Druck setzen möchte.

Jette
16 Tage zuvor

Also richtig überzeugt scheint mir Prof. Dr. Maaz von dem Startchancenprogramm nicht zu sein. Zu viel könnte, sollte, wäre, ginge,- er spricht gerne in konjunktiv. Klingt für mich nach Fluchtweg offen halten.
Und ob wissenschaftlich erforschte Unterrichtsprogramme der Stein der Weisen sind, da habe ich meine Zweifel. Zu viele Förderprogramme, Lehrmethoden und geänderte Bildungspläne habe ich in den letzten 30 Jahren erlebt mit dem Ergebnis, die Schülerleistungen werden zunehmend schlechter

Anika von Bose
15 Tage zuvor
Antwortet  Jette

Seine Zweifel hat er ja auch begründet: „ Man wird den Anteil derjenigen, die die Mindeststandards nicht erreichen, wahrscheinlich nicht halbieren können. Dazu braucht es auch den angesprochenen vorgelagerten Bereich. Dort werden die Grundlagen gelegt und finden viele Entwicklungsschritte statt.“

Die Einbeziehung des frühkindlichen Bereichs fehlt. Kinder werden schon mit großen Kompetenzunterschieden eingeschult, da gibt es große Lernvorsprünge, die in der Schule idR nicht mehr ausgeglichen werden können.

Das ist doch eine nachvollziehbare Argumentation. Ich schließe mich diesen Zweifeln an.

Wir brauchen kommunal institutionell vernetzte Beratungs- und Unterstützungszentren, die auch bereits vorhandene Strukturen miteinander verknüpfen und Familien von Geburt an beraten und unterstützen, ebenso wie die MA der Bildungseinrichtungen.

Jette
16 Tage zuvor

Und dieses Überangebot an Förderprogrammen, die dann doch nicht so umgesetzt werden können, führt zu Frust auf allen Ebenen. Das Startchancenprogramm, welches eine kontinuierliche Schulleitung, ausreichend Lehrkräfte und eine rechtzeitige Förderung im vorschulischem Bereich voraussetzt, ist schon im Ansatz nicht zu verwirklichen!
Vielleicht müssten doch erst mal die Rahmenbedingungen überprüft werden, bevor die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird???

H. F.
16 Tage zuvor
Antwortet  Jette

Wo ist das Problem? Damit passt sich die Bildungspolitik doch genau dem Handlungsmuster der modernen Pädagogik an: schiefe aber ambitionierte Türme auf fehlendem Fundament bauen. Wer braucht schon Rahmenbedingungen oder Grundlagen? Eine hübsche Erzählung — neudeutsch Narrativ — reicht doch dicke aus.

Katze
16 Tage zuvor
Antwortet  Jette

So ist es. Die neue Sau braucht keine Visionen vor Ort, sondern ein Stelldichein mit mancher alten konservativen Sau. Diese alte Sau brauchte keine aufgeblasenen Startchancenprogramme um leistungsorientiert und fachlich anspruchsvoll durchs Dorf zu galoppieren. Jede neue bildungsideologische Sau führt zum weiteren Ausschleichen des Leistungsgedankens aus unseren Schulen.
Schon die Formulierung „Enge des Fachunterrichts“ sagt mir, wohin die Bildungsreise geht.
Für meine Generation war Fachunterricht eine „Erweiterung des geistigen Horizonts“. Unser Startchancenprogramm war ernsthafte fachliche Bildung vermittelt durch LuL mit fachlich hoher unabgespeckter Qualifikation und Autorität.

Ja, ich weis es ganz genau,
ich will nicht mehr jede neue Sau.
Manche wurde viel zu ernstgenommen.
Schau an, wo sind wir hingekommen.

Palim
16 Tage zuvor
Antwortet  Katze

Und weil es Sie damals so sehr fasziniert hat,
haben Sie sich von einer Brennpunktschule aus weiterentwickelt,
ihr Studium absolviert und sind gerne zurück in den Brennpunkt gegangen, um mit Ihrem Talent und Ihrer Qualifikation dort die Schüler:innen zu unterrichten und zu begleiten?

Finde ich prima!

Katze
15 Tage zuvor
Antwortet  Palim

Welcher Brennpunkt? Hurra, Hurra die Schule brennt, gilt überall in Schland.
Bildungspolitiker und Bildungsideologen sind als Brandschatzer und Brandbeschleuniger bestens qualifiziert.
Brandschneisen ermöglichen den SuS aus der Enge des Fachunterrichts zu entfliehen.
Bildungsland ist abgebrannt.
Ich bin zu alt für freiwillige Feuerwehr.

447
15 Tage zuvor
Antwortet  Palim

Der Versuch war gut,
aber Praxis,
die macht klug!

Im Brennpunkt ist’s wohl richtig groß ,
auf geht es, Schülerversteher,
los los los!

Versetzung rein und pädagogisieren,
nicht immer über ANDERE sich definieren!

Als Fan von Bildung und Dühs-ziplin,
da steckt man da nicht richtig drin.
Wir bösen Lehrer sind dafür viel zu schlecht,
bildungswissenschaftlich ungerecht,
Studien beweisen es,
also auf, ihr guten Menschen, das wird ein Fest!

Faktengecheckt und pädagogisch armiert
wird bildungswissenschaftlich gut agiert!
Ohne böse Diskriminierung,
ohne „wohlhabende blonde Mädchen“,
gedeiht die Bildung,
multo bene!

Klassenbewusstsein und Haltungsstatur
schützt sicher auch vor der Schädelfraktur!
So demokratisiert ihr die Massen,
lehrt Messerstecher Toleranz,
und auch Islamo- und Rechtsextremisten sind schnell gebannt!

Mit Klangschale, Bez-Reg und ganz viel Gefühl – auf geht es, stürzt euch ins Gewühl!
Die offizielle Position hat recht,
Pauker sind dafür zu schlecht!
Lasst due Kinder mitbestimmen,
Noten schafft dabei noch ab,
niemals wird die Arbeit knapp.

Ihr, NUR ihr,
ihr könnt es richten,
mur fällt kein guter Reim mehr ein,
der Akku juckt,
ich flieg jetzt heim.

∆∆∆Bonusrunde:∆∆∆
Wie viele news4teacher-Meldungen wurden in diesem extrem schlechten Gedicht eingebaut?

Der Gewinner erhält ein halbes Internet!

Anika von Bose
14 Tage zuvor
Antwortet  447

Gut gereimt – Respekt – wenn auch inhaltlich sehr einseitig.

Nur das Althergebrachte ist gut? Immer werden die armen Lehrkräfte werden immer schlecht gemacht?

Die Eltern müssen endlich Verantwortung übernehmen, die Wissenschaft ist realitätsfern…usw.

Aber das die Welt sich weiterdreht und sich verändert – das ist unbestritten? Das würde bedeuten, dass man diesen Entwicklungen mit Veränderungen begegnet sich öffnet. Geschieht das nicht, dann sehen wir wohin uns das gesamtgesellschaftlich führt.

447
14 Tage zuvor
Antwortet  Anika von Bose

An den konkreten, realen Ergebnissen der Schule (nicht den Studien dazu) sieht man wunderbar, wohin uns maximale normative Polit-Orientierung und „tolle Ideen“ gebracht haben.
Im übrigen muss sich jede Institution natürlich immer wieder reformieren – nur WOHIN sie sich reformiert, das ist eine andere Frage.

Anika von Bose
13 Tage zuvor
Antwortet  447

Und wie beantworten Sie diese Frage? Wie sieht Ihr persönlicher Lösungsvorschlag aus? Sie sind ja offensichtlich der Auffassung, dass die Wissenschaft und andere Teile der Bildungsgemeinschaften keinen Einfluss auf diese Entwicklungen haben sollten…was ich entschieden anders sehe. Ihre einseitige Perspektive aus Sicht der Lehrenden ist unzureichend, für nachhaltige Weiterentwicklungen müssen alle Beteiligten mitwirken.

Aus meiner Sicht braucht es zunächst aber eine massive Stärkung präventiver Maßnahmen, die schon vor der Schule beginnen müssen, das wird auch in unseren Bildungseinrichtungen für Entlastung sorgen.

Schulen müssen mit den Sorgen ihrer SuS umgehen können und müssen in der Lage sein in Zeiten zunehmend pluralistischer Einflüsse ihren SuS eine Orientierung zu geben. Ist das einfach? Nein – aber notwendig.

potschemutschka
14 Tage zuvor
Antwortet  447

🙂

Anika von Bose
14 Tage zuvor
Antwortet  Jette

Die Herausforderungen haben sich massiv verändert in den letzten Jahren, durch die Digitalisierung und die Nutzung sozialer Medien ist die Welt pluralistischer geworden – der Populismus hat erheblichen Aufwind erfahren. Gepaart mit Sorgen um den Klimawandel und die abnehmende Demokratiefähigkeit. Da kann man mit dem Festhalten an alten Methoden nicht entgegen wirken.

Hans Malz
11 Tage zuvor
Antwortet  Anika von Bose

Aber das völlige „Überbordwerfen“ der alten Methoden kann eben auch nicht der wahre Jakob sein. Ich habe aber das Gefühl, dass alles, was ich damals gelernt habe, nichts mehr gilt. Unterhaltungen mit Referendaren und Fachleitern bestätigen das auch.

Das Problem: Der neue geile Scheiß kann den Praxistest ja anscheindend nicht bestehen. Also muss man doch umsteueren. Leider scheint das in der Bildungswissenschaft nicht so zu funktionieren, wie z.B. in der Medizin. Wenn es da eine Studie gibt, die etwas feststellt, dann wird das erstmal kritisch überprüft und dann bedarf es noch weiterer Studien mit anderer (eventuell verbesserter) Methodik, um die Ergebniss zu überprüfen.
In der Bildungswissenschaft gibt es (oft) eine Studie zu einem Theme und das wird uns dann direkt als Heilsbringer verkauft, ohne dass es einen Praxistest gibt. Hier gilt: Wenn die Medizin nicht hilft, dann nimmt man halt mehr davon. Das der ein oder andere Grundgedanke in den Universitäten falsch sein könnte, auf die Idee kommt keiner. Viel zu viel Ideologie…

Anika von Bose
7 Tage zuvor
Antwortet  Hans Malz

Es geht doch auch nicht darum „alles über Bord zu werfen“, aber es kann doch auch nicht sein, dass man die Augen verschließt und weiter macht, als gäbe es die Entwicklungen der letzten Jahre nicht!

Ich gehe davon aus, dass vieles was Sie „damals“ in Ihrer Ausbildung gelernt haben, seine Gültigkeit verloren hat und angepasst werden muss. Und das soll nicht heißen, dass ich den Lehrkräften „den schwarzen Peter zuschieben will“. Es braucht auch die entsprechenden Veränderungen der Rahmenbedingungen in den Bildungseinrichtungen. Und Veränderungen müssen im „Miteinander und Füreinander“ geschehen – Lehrende, Schülerinnen und Schüler und Erziehungsberechtigte . Ich teile Ihre Auffassung mit Blick auf die Bildungswissenschaft nicht und glaube vielmehr, dass Studien einfach unterschiedlich interpretiert werden und jeder sie versucht diese Ergebnisse für seine Perspektive zu nutzen.

447
16 Tage zuvor

Randnotiz:
Zweite Antwort des Interviewten, erste Zeile – „Seit“ fehlt ein „e“.

Zum Inhalt:
„von Bundesländern begleitet“
„Netzwerke von Schulen“
„nicht verengt auf Fachunterricht“
„mehrere Perspektiven“
„Umfragen“

Aha.

Keine Fragen mehr: Es wird alles gemacht und der Schule als Quasselkopf vorgesetzt (BL, moderierte Netzwerke und und und) AUSSER das was nötig wäre.

Dagmar Schäfer
15 Tage zuvor

https://www.openpetition.de/!jxbss

Kinder brauchen zuallererst Beziehung und Sicherheit für ihre Entwicklung!
Schulen laufen aber im Stressbetrieb.
Jede Grundschulklasse braucht ein verantwortliches Pädagogenteam.
Bitte unterschreiben Sie für dieses Ziel!

Lisa
14 Tage zuvor

Noch 2009 hieß es:“ Die Ergebnisse des Ländervergleichs belegen einen hohen Leistungsstand der Grundschülerinnen und -schüler, die zu einem überwiegenden Teil die für die Grundschule gesetzten Leistungserwartungen erfüllen oder sogar übertreffen. Dies ist auch auf die engagierte Arbeit der Lehrkräfte zurückzuführen, für die ich mich im Namen der Kultusministerkonferenz herzlich bedanke…“.Was ist zwischenzeitlich geschehen? Es kamen eine Menge Nichtmuttersprachler in die Schulen, die auf einen strigenten, durchorganisierten DaZ Unterricht ( ich weiß, ich wiederhole mich da ein bisschen wie der alte Cato, aber der Sprachunterricht ist kein nice to have, sondern die Bedingung, dass ein Kind dem Unterricht folgen kann) in den Schulen angewiesen sind, der aber gar nicht so vorgesehen ist.
Ich fürchte, wenn Schulen die Förderungen einkaufen, wird sich ein ähnlich undurchsichtiger Markt von Anbietern entwickeln wie bei Hartz IV, ohne das es viel bringt.

Hans Malz
11 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Diesen Markt gibt es schon. Und es ist gar nicht so einfach da sie Spreu vom Weizen zu trennen.