Schüler vor Smartphones schützen? Unnötig – sagt der Deutsche Lehrerverband

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BERLIN. Jugendliche hängen am liebsten am Smartphone – und nehmen die Inhalte unkritisch auf? Stimmt nicht, sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll. Im Gegenteil: „Die Schüler sind nicht blöd. Die wissen schon, dass sie durch eine gewisse Abhängigkeit gefährdet sind“, so Düll. „Je älter sie werden, desto reflektierter verwenden sie die Geräte.“

Ist ein Handyverbot an Schulen sinnvoll? Der Deutsche Lehrerverband sagt „Nein“. Foto: shutterstock

Mit seinem Statement reagiert Düll auch auf eine Diskussion, die gerade wieder anfängt, hochzukochen: Sollen Smartphones an Schulen komplett verboten werden oder nicht? Vergangene Woche forderte der Autor Alan Posener in der Zeit: „Nehmt den Schülern die Handys weg!“ Das Argument: Kinder verbringen eh schon zu viel Zeit vor den kleinen Bildschirmen und die Gefahr einer Smartphone-Sucht steige. Und auch der Journalist Richard Gutjahr forderte Anfang der Woche in einem Kommentar in der Rheinischen Post: „Smartphones raus aus den Schulen!“ Die Geräte erzeugten Stress und förderten Einsamkeit. Zudem zeige die Pisa-Studie von 2022, dass Schüler, die ihre Handys im Unterricht nutzen, signifikant schlechter abschneiden.

Andere Länder machen es vor

Ganz so verrückt scheint die Idee eines Handyverbots gar nicht zu sein. „Ausgerechnet Kalifornien, Heimat von Apple, Google und Facebook, plant nun ein Verbot“, schreibt Gutjahr. Und auch Großbritannien und die Niederlande haben Anfang des Jahres ein Verbot von Handys im Schulalltag eingeführt, während Frankreich und Italien schon länger keine Smartphones mehr in der Schule zulassen, wie das Deutsche Schulportal berichtet. Auch immer mehr Politiker*innen können sich einen solchen Weg vorstellen. Zuletzt hatte Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, ein Verbot von Smartphones an Grundschulen gefordert.

Trotzdem sieht der Lehrerverband diesen Weg für Deutschland nicht. Laut Stefan Düll würden sich viele Schülerinnen und Schüler für eine achtsame Mediennutzung interessieren und einen bewussten Medienkonsum lernen wollen. Und dazu sollen sie im Unterricht mehr Möglichkeiten erhalten, fordert Düll. Im Klassenraum sei durchaus eine Gesprächsbereitschaft zu spüren, weil das Thema für Jugendliche eine direkte Relevanz habe. Einige hätten auch schon selbst schlechte Erfahrungen gemacht: etwa mit verstörenden Inhalten, Falschbehauptungen oder Cybermobbing. „Da sind wir als Schule gefordert“, sagte Düll.

In einem früheren Interview mit der Deutschen Presse-Agentur hatte Düll eingeräumt, dass das Störungspotenzial durch Smartphones groß sei, aber auch in der analogen Zeit habe es viel Ablenkung gegeben. Zudem helfe ein Handyverbot gegen Probleme wie digitales Mobbing kaum. „Smartphones sind existent, sie sind privates Eigentum. Es wird auch immer Momente der Nichtkontrolle geben“, erklärte Düll. Lehrer müssten damit leben und zeigen, wie sich die Geräte sinnvoll nutzen lassen.

Auch die Eltern sind gefragt – aber man erreicht nur die Falschen

Neben den Schulen sieht der Verbandschef außerdem die Eltern in der Pflicht, einen bewussten Umgang mit der Technik vorzuleben. Es gebe Eltern, die schon beim Schieben des Kinderwagens ständig aufs Handy schauten. „Damit vermitteln sie direkt: Das ist etwas ganz Wichtiges.“ Kinder durch Spiele oder Videos auf dem Smartphone abzulenken oder ruhigzustellen, sieht Düll nach eigenen Worten kritisch. Das könne die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder beeinträchtigen – gerade bei Kindern, die vom Naturell ohnehin „geistig zappelig“ seien.

Der Schulleiter eines bayerischen Gymnasiums betonte aber auch: „Viele Eltern machen es richtig.“ In der Schule sei es aber besonders schwer, die übrigen Fälle zu erreichen. „Zum Elternabend kommen nur diejenigen, die sowieso schon auf dem richtigen Weg sind. Die man eigentlich ansprechen müsste, erreicht man so nicht“, erläuterte Düll. „Da ist im Prinzip die Jugendhilfe gefragt.“ News4teachers mit Material der dpa

Handyverbot an Schulen: Sinnvoll oder kontraproduktiv? Lehrerverband sieht „hohes Ablenkungspotenzial“

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5 Kommentare
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Karl Heinz
2 Tage zuvor

„Lehrer müssten damit leben und zeigen, wie sich die Geräte sinnvoll nutzen lassen.“

Lehrer*innen sind auch nur Menschen. Und als solche beim Thema Smartphones keinen Deut besser als der Rest der Gesellschaft.

Und Düll nennt doch die Probleme:
Das Smartphone ist privat.
Darf man dessen kontrollierte Nutzung im Unterricht überhaupt verlangen?
Und ja – sie lenken ab.
Die Eltern (und teilweise Lehrer) leben es negativ vor.
Aber hey – gucken wir auf die wenigen guten Beispiele statt Konsequenzen zu ziehen…

Eva
2 Tage zuvor

„.. Doch für ein Verbot braucht es Lehrkräfte mit Autorität – und die richtigen Gesetze. . “ schreibt die „Zeit“ im genannten Artikel.

*stöhn* .. die „Zeit“-Redaktion ist eingeladen das Gate mit Personal für die Sicherheitskontrollen zu besetzen.

Es ist eine Elternentscheidung, die besorgen ihren Kindern den Stoff, Verzeihung, die Phones und die Verträge wollte ich sagen. Darunter leiden natürlich alle, wenn sich die offene Smartphoneszene in der Schule versammelt. Da weiß ich jetzt auch nicht weiter.

Hans Malz
2 Tage zuvor

„Laut Stefan Düll würden sich viele Schüler für eine achtsame Mediennutzung interessieren und einen bewussten Medienkonsum lernen wollen. Und dazu sollen sie im Unterricht mehr Möglichkeiten erhalten, fordert Düll.“

Am Frodo-Beutlin-Gymnasium in Hobbingen ist das vielleicht so, aber nicht in den Schulen, die ich so kenne. Aber Gymnasialschulleiter sind eh oft ein bisschen von der Welt entrückt. Und dann noch die viele Arbeit im Verband, da hat man nicht mehr so viel Zeit für die Realität.

Was lernen wir? Nicht nur die GEW erzählt oft Mist.

Alx
2 Tage zuvor

Smartphone und Tablet müssten für Kinder überhaupt eingeschränkt werden.

Da sie das nicht werden empfehle ich mit den Kleinen in der Grundschule schon einmal zu üben.
Junait ist ein tolles kostenloses Spiel bei dem die Kinder sehen, welche Daten sie im Ernstfall preisgegeben hätten und mit Bots und „Hassbotschaften“ konfrontiert werden.
War ein super Themen-Einstieg.

Und dann ist natürlich das Internet-ABC ein toller Anfang.

RainerZufall
1 Tag zuvor

aich war ehrlichgesagt sehr positiv überrascht, wie abgeklärt und vorsichtig die meisten meiner 6ten Klasse mit ihren Daten umgehen.
Natürlich gibt es noch viel zu lernen, aber die Motivation, über die eigene Mediennutzung reden zu können, war enorm!

Bezüglich der Elternschaft besteht durchaus ein Schwerpunkt der es Wert ist, im Unterricht vertieft zu werden.