„Bahnbrechend“: Finnisches KI-Modell sagt frühzeitig späteren Schulabbruch voraus

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JYVÄSKYLÄ. Je früher potenzielle Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher erkannt werden, desto früher können sie Unterstützung finden. Ein finnisches Forscherteam hat nun ein Vorhersagemodell entwickelt, das ab Ende der sechsten Klasse zuverlässige Prognosen liefert.

Weiß die KI bald mehr? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Als ‚bahnbrechend‘ bezeichnet ein interdisziplinäres Forschungsteam der finnischen Universität Jyväskylä seine Erkenntnisse. Tatsächlich scheint den Psychologinnen, Pädagoginnen und Informatikern um die Psychologin Maria Psyridou mit ihrem Machine-Learning-Modell ein wesentlicher Schritt im Hinblick auf eine KI-gestützte Schulentwicklung gelungen. Mithilfe eines 13-jährigen Längsschnittdatensatzes, beginnend im Kindergartenalter, hätten die Modelle bereits am Ende der Grundschule (Klasse 6) den Schulabbruch und den Verbleib in der Schule vorausgesagt, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Damit habe das Modell den Abbruch der Sekundarstufe II früher als je zuvor vorhersagen können.

„Diese Studie stellt einen bedeutenden Fortschritt in der frühen automatischen Klassifizierung dar, aber sie ist nur der erste Schritt in einer methodischen Entwicklung, die fortgesetzt werden muss,“ so Psyridou. Ein solcher Ansatz könnte, ist sich die Psychologin sicher, „einen neuen Präzedenzfall für die Verbesserung bestehender Strategien zur Bindung und zum Erfolg von Schülern schaffen und möglicherweise zu transformativen Veränderungen in Bildungssystemen und -politik führen.“

Frühe Daten nutzen

Der Prozess des Schulabbruchs beginne oft schon in den ersten Schuljahren und werde von einer Reihe verschiedener Faktoren beeinflusst. Für ihre Studie verwendeten die Forscherinnen und Forscher Daten aus den finnischen Längsschnittstudien „First Steps“ und ihrer Erweiterung „School Path“. Die Daten umfassen sowohl den familiären Hintergrund als auch individuelle Faktoren, Verhaltensmessungen, Motivation und Engagement, Gesundheitsverhalten und Erfahrungen mit Mobbing, Mediennutzung sowie akademische und kognitive Leistungen der Kinder und Jugendlichen.

„Die Arbeit mit diesen Längsschnittdaten war sowohl eine Herausforderung als auch eine einzigartige Gelegenheit für das maschinelle Lernen. Die Ergebnisse sind wirklich vielversprechend“, stellt Fabi Prezja fest. Der Doktorand am Fachbereich Computerwissenschaften hatte den maschinellen Lernansatz für diese Studie wesentlich mitentwickelt.

Planung für die Zukunft

Die Studie stelle für die Bildungsforschung einen bedeutenden Schritt nach vorn dar, sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überzeugt. Allerdings seien zusätzliche Daten und eine weitere Validierung anhand unabhängiger Testsätze unerlässlich. In zukünftigen Ausgaben könnten solche Modelle das Potenzial haben, Bildungsprozesse und bestehende Verfahren zur Identifizierung von Risikoschülern proaktiv zu unterstützen, und dadurch möglicherweise bei der Entwicklung neuer Strategien helfen, die die Bindung von Schülerinnen und Schülern sowie ihren Schulerfolg verbessern können, um letztendlich zu besseren Bildungsergebnissen beizutragen. (pm)

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17 Kommentare
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Palim
1 Tag zuvor

Man könnte auch einfach Erzieher:innen und Lehrkräfte fragen, wo sie Schwierigkeiten erkennen, und daraufhin die grundlegende Förderung vor und nach der Einschulung verbessern.
DAS wäre dann „bahnbrechend“!

Realist
1 Tag zuvor
Antwortet  Palim

Ich warte auch schon sehr lange darauf, als Lehrkraft endlich als Experte angesehen zu werden. Vieles läuft nicht deshalb schief, weil wir unwissend sind und nicht diagnostizieren können, sondern weil uns die Kapazitäten fehlen, etwas dagegen zu tun.
Trotzdem wird immer viel Geld in technische Diagnose und in Studien gesteckt, statt die Ursachen und die Probleme anzugehen. Nur zu wissen, es wird Schulabbrecher geben und wer gefährtdet ist, ändert nichts. Jede Lehrkraft kennt ihre Problemfälle. Was es braucht, ist PERSONAL um dem entgegenzuarbeiten und diese Kinder aufzufangen.

Heuwägelchen
16 Stunden zuvor
Antwortet  Realist

Mehr Personal würde a u c h dazu beitragen, dass Sozialverhalten zu verbessern und könnte pädagogisch betreuen.

Will bloß niemand, wie es scheint.

Unfassbar
23 Stunden zuvor
Antwortet  Palim

Das würde aber im Gegensatz zu irgendwelchen KI-generierten Daten Geld kosten. Wie das in Finnland ist, weiß ich nicht, in Deutschland ist das aber das Totschlagargument.

Palim
17 Stunden zuvor
Antwortet  Unfassbar

Das ist erst mal nur eine Frage, und eine Antwort,
wenn man Kinder im Alter von 10 oder 12 Jahren vor die KI setzen möchte, braucht es ja auch jemanden, die oder der die Programme administriert, die Auswertung liest und dann Maßnahmen überlegt. Das kostet auch Geld.

Wie differenziert die Empfehlungen zu Maßnahmen sind oder ob es nur eine Aussage zum möglichen Schulabbruch gibt, wissen wir nicht,
die Lehrkraft würde sicher sagen können, in welchem Bereich Unterstützung notwendig ist.

Förderung kostet Geld, stimmt, Schulabbrechende zu begleiten, kostet auch Geld.

JoE
1 Tag zuvor

In Deutschland undenkbar, weil diese Daten im Detail weder erhoben werden noch zusammengeführt werden dürften. Stattdessen führt man ILE-Ordner in Papierform, die (wenn überhaupt) einzig und alleine eine den formalen Anforderungen entsprechende Pflichtübung darstellen. Und selbst wenn ein Wunder geschehen würde, bedeutete das noch lange nicht, dass aus den Erkenntnissen wirklich eine sinnvolle Konsequenz gezogen würde.

Ukulele
1 Tag zuvor
Antwortet  JoE

Leider ja. Während in einigen anderen Ländern neue Technologien in erster Linie als Chance wahrgenommen werden, werden bei uns die Gefahren, Probleme Grunde gesucht, weshalb etwas nicht geht.

Hans Malz
20 Stunden zuvor
Antwortet  Ukulele

In Finnland wird aber auch für die Sicherheit der Daten gesorgt. Da machen das Fachleute. Hier frickelt jedes Bundesland an unsicheren Schrottlösungen rum. Solange das so ist, bin ich absolut für strengen Datenschutz und sehe das eben als Gefahr.

Mr X
1 Tag zuvor

Ist doch praktisch. Wenn das eine ki vorhersagt, kann man sich jede Förderung sparen und die Schule sofort abbrechen.

Schön günstig…

Mika
1 Tag zuvor
Antwortet  Mr X

War auch mein erster Gedanke…

AvL
1 Tag zuvor
Antwortet  Mika

Warum nicht gegensteuern, wenn die KI stimmt.

AvL
1 Tag zuvor
Antwortet  Mika

?

Heuwägelchen
16 Stunden zuvor
Antwortet  Mika

@Mr X und Mika

Bin ganz bei euch

Nur dann haben wir (den Begriff habe ich vorige Woche erst gehört) tatsächlich u.U. „useless people“.

Wer Marc Uwe K. kennt, weiß, dass auch da von „Nutzlosen“ gesprochen wird.

Da wird mir echt gruselig.

Vor allem, da ich auch ans beherzte Gegensteuern nicht glaube. Viel zu teuer (die erste Ausbildung der Kinder).

Canishine
1 Tag zuvor
Antwortet  Mr X

Es ist ja eher die Frage, wie sich eine solche Prognose allein schon auf die Laufbahn auswirkt. War diese Fragestellung auch Teil der Studie?

Heuwägelchen
16 Stunden zuvor
Antwortet  Canishine

Ich glaube – nein.

Es wäre aber mega-verheerend und grandios verantwortungslos, den Kids zu sagen, dass sie die Schule nicht beenden werden.

Die Eltern sollten das gesagt bekommen. Das nehmen sie von einer KI bestimmt auch besser an, als vom einfachen Lehrkräftefußvolk.

Alx
1 Tag zuvor

Das ist ja wie in Minority Report.

Heinz
20 Stunden zuvor

Also ich sag mal so: Schön, dass sie dafür ein KI-Modell haben, wenn man uns Lehrer aber ernst nehmen und fragen würde, könnten wir das auch verhältnismäßig zuverlässig voraussagen. Das Ding ist aber, dass man halt der Meinung von Lehrern in Deutschland keine Gewichtung gibt, weil man immer noch denkt, dass Lehrer ihre Entscheidungen nach Lust, Laune und Gefallen der Nase treffen.

Das Problem ist in Deutschland also nicht, dass diese Schüler nicht erkannt werden, sondern dass danach jahrelang einfach gar nichts passiert. Es gibt so viele Schüler, die regelmäßig fehlen, die irgendwann keine ganze Woche mehr am Stück schaffen, immer gedeckt von ihren Eltern, die die Problematik nicht erkennen. Diese Schüler sind es bei uns hauptsächlich die hinterher ohne Abschluss da stehen oder abbrechen, und wer jetzt denkt, dass seien wenige, der irrt sich, diese Schüler gibt es in JEDER Klasse bei uns.