BONN. Hausaufgaben – für viele Familien sind sie Alltag, für manche Albtraum. Sie sollen das Gelernte festigen, Disziplin fördern und Eigenständigkeit trainieren. Doch was, wenn sie mehr schaden als nützen? Beim dritten Bürgerrat-Talk „Bildung und Lernen im Dialog“ diskutierten nun Bob Blume, Gymnasiallehrer, Autor und Bildungsinfluencer, Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, und Maximiliane Junghans, Schülerin und Mitglied im Jungen Bürgerrat Bildung und Lernen. Moderiert wurde die Runde von Andrej Priboschek, Herausgeber von News4teachers.
Sendung verpasst? Kein Problem: Hier lässt sie sich abrufen (ab Minute 2):
„Hausaufgaben gehören zum Schulalltag wie das Pausenbrot – oder etwa nicht mehr? Wer hat sie früher schnell im Bus erledigt, und wer ganz gewissenhaft zu Hause?“, fragte Priboschek zum Auftakt der Diskussion. „ Heute wollen wir ernsthaft darüber sprechen, ob diese Tradition noch Sinn ergibt.“
Bevor es in die Kontroverse ging, erinnerte Priboschek an den Ursprung des Gesprächs: den Bürgerrat Bildung und Lernen, ein bundesweites Demokratieprojekt. Insgesamt rund 700 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland – darunter auch Schülerinnen und Schüler – hatten darin zentrale Bildungsfragen beraten, vom Notensystem bis zur Schulautonomie. In 19 Empfehlungen formulierten sie konkrete Vorschläge für die Politik. Eine davon: Hausaufgaben sollen abgeschafft und durch sogenannte Vertiefungsstunden im Stundenplan ersetzt werden.
„Diese Vertiefungsstunden sollen Übungszeiten in der Schule schaffen, damit alle unter denselben Bedingungen lernen können“, erklärte Maximiliane Junghans, Gymnasiastin in der neunten Klasse und Mitglied des Jungen Bürgerrats. „Denn nicht jedes Kind hat zu Hause einen ruhigen Platz oder Eltern, die helfen können. Wenn man alles in der Schule erledigen könnte, wäre es einfach gerechter.“
Mit dieser Forderung traf der Bürgerrat einen Nerv – und ein altes Tabu zugleich.
Wozu gibt es Hausaufgaben – und erreichen sie ihr Ziel?
Moderator Priboschek leitete mit einer scheinbar einfachen Frage ein: „Brauchen wir Hausaufgaben heute überhaupt noch?“
Bob Blume antwortete darauf offen: „Ich bin mir sicher, dass ich früher oft abgeschrieben habe – aber daran erinnere ich mich nicht mehr so genau.“ Er lachte kurz, wurde dann ernst: „Die Idee, dass Kinder allein zu Hause sitzen und Aufgaben wiederholen, funktioniert einfach nicht mehr. Hausaufgaben bedeuten: Du bist auf dich allein gestellt. Wer Hilfe bekommt, hat einen Vorteil – wer keine bekommt, bleibt auf der Strecke.“
Blume stellte infrage, ob das Prinzip Hausaufgabe noch in die heutige Lernkultur passe. „Wenn Lernen ernst genommen werden soll, dann muss es dorthin verlagert werden, wo Feedback möglich ist – in die Schule. Nur dort kann man begleiten, erklären, nachfragen. Am Küchentisch funktioniert das nicht.“
Stefan Düll hielt dagegen: „Hausaufgaben sind kein Relikt. Sie sind dazu da, dass man das, was man gelernt hat, zu Hause selbstständig noch einmal anwendet. Das ist doch genau die Idee.“ Er warnte davor, den Wert der Eigenverantwortung zu unterschätzen: „Schule kann nicht alles übernehmen. Wenn Kinder Verantwortung übernehmen sollen, gehört auch dazu, dass sie lernen, sich selbst zu organisieren.“
Düll betonte, dass es vor allem auf die Qualität der Aufgaben ankomme: „Gute Hausaufgaben vertiefen Wissen, schlechte erzeugen Druck. Das Problem ist nicht die Hausaufgabe an sich – es ist die Art, wie wir sie gestalten.“
Maximiliane Junghans schilderte ihre Erfahrung aus Schülerperspektive: „Manchmal sind Hausaufgaben sinnvoll – aber oft sind sie einfach Wiederholungen von dem, was man schon kann. Und wenn man es nicht verstanden hat, sitzt man abends allein da und kommt nicht weiter.“
Blume fasste zusammen: „Hausaufgaben zeigen weniger, wie gut jemand lernt, sondern eher, wie gut jemand zu Hause unterstützt wird. Das ist das eigentliche Problem.“ Damit war schon der nächste wichtige Aspekt angesprochen: die soziale Dimension. „Ein großes Argument gegen Hausaufgaben lautet, dass sie die Ungleichheit im Bildungssystem verstärken“, leitete Priboschek über.
Maximiliane Junghans bestätigte das aus Schülersicht: „In meiner Klasse merkt man das ganz deutlich. Manche bekommen Hilfe von ihren Eltern oder Nachhilfe – andere müssen alles allein machen. Und das sieht man auch an den Ergebnissen.“ Blume stimmte zu: „Hausaufgaben sind ein Spiegel sozialer Unterschiede. Wer Unterstützung hat, kommt leichter durch. Wer allein ist, hat es schwerer. Das darf Schule nicht einfach hinnehmen.“
Düll schränkte ein: „Wir können Bedingungen verbessern, ja. Aber absolute Chancengleichheit gibt es nicht – und sie wird es nie geben. Kinder sind unterschiedlich, Familien sind unterschiedlich. Schule kann nicht alle Unterschiede ausgleichen.“
Er zeigte sich zudem skeptisch gegenüber der Idee, Hausaufgaben vollständig in die Schule zu verlagern: „Wenn wir Vertiefungsstunden wollen, dann müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Wir brauchen Räume, Personal und Zeit. Und es darf kein verpflichtender Ganztag für alle werden. Eltern sollen selbst entscheiden können, wie sie ihren Tag gestalten. Wir brauchen Wahlfreiheit, keine Zwangsstrukturen.“
Maximiliane Junghans hielt dagegen: „Ich glaube, es ist wichtig, dass man da nicht einfach sagt: Das geht halt nicht. Wenn man wirklich will, dass alle die gleichen Chancen haben, muss man auch die Möglichkeiten dafür schaffen.“
KI im Kinderzimmer – hat die Hausaufgabe ausgedient?
Dann kam ein Aspekt zur Sprache, der in keiner Schule mehr zu ignorieren ist: die Künstliche Intelligenz. „Heute kann ChatGPT in Sekunden eine Hausaufgabe lösen – besser, als der Schüler selbst könnte“, sagte Andrej Priboschek. „Müssen wir da nicht grundsätzlich neu über Lernen nachdenken?“

Bob Blume reagierte entschieden: „Ganz ehrlich – wenn eine KI die Hausaufgabe besser machen kann als der Schüler, dann zeigt das doch, dass die Hausaufgabe falsch konstruiert ist. Das ist kein Schülerproblem, das ist ein Systemproblem.“ Man müsse, so Blume, die Technologie nicht verdammen, sondern produktiv nutzen: „Wir müssen Schülerinnen und Schüler befähigen, mit KI zu arbeiten. Sie müssen verstehen, was diese Werkzeuge können – und was nicht. Das ist doch Teil moderner Bildung.“
Stefan Düll widersprach: „KI kann helfen, aber sie ersetzt keine Lehrkraft. Bildung lebt von Begegnung. Wenn das Digitale alles übernehmen soll, verlieren wir das, was Schule eigentlich ausmacht – das gemeinsame Denken, das Miteinander.“ Er warnte vor einer Verflachung des Lernens: „Nur weil ein Text gut aussieht, ist er nicht verstanden. Lernen heißt, selbst denken zu lernen – nicht Ergebnisse zu produzieren.“
Maximiliane Junghans ergänzte: „Viele in meiner Klasse nutzen KI sowieso – heimlich. Sie schreiben damit Texte oder lassen sich Aufgaben erklären. Ich finde, man sollte uns lieber zeigen, wie man sie richtig einsetzt, statt zu tun, als gäbe es das alles nicht.“ Blume nickte: „Genau. Schule darf nicht so tun, als wäre das Zukunft. Das ist längst Gegenwart.“
Eltern, Belastung, Realität – Stimmen aus dem Chat
Zum Ende der Diskussion bezog Moderator Priboschek die Zuschauerinnen und Zuschauer mit ein: „Da kommen viele Reaktionen rein. Eine Mutter schreibt: ‚Wir sitzen jeden Tag ewig an den Hausaufgaben – das ist purer Stress.‘ Ein anderer Zuschauer meint: ‚Ohne Hausaufgaben verlieren Kinder die Routine.‘ Das zeigt, wie gespalten die Meinungen sind.“
Stefan Düll nahm den Faden auf: „Natürlich gibt es Familien, in denen Hausaufgaben Streit auslösen. Aber das zeigt doch: Wir müssen sie besser gestalten, nicht abschaffen. Gute Hausaufgaben sind sinnvoll. Sie helfen, sich zu strukturieren und Verantwortung zu übernehmen.“
Bob Blume entgegnete: „Wenn Hausaufgaben regelmäßig Stress bedeuten, dann stimmt das System nicht. Lernen darf kein täglicher Konflikt sein. Selbstorganisation entsteht nicht durch Überforderung, sondern durch Vertrauen – und durch Begleitung.“
Düll hielt dagegen: „Aber Kinder müssen auch lernen, sich mal selbst hinzusetzen, ohne dass jemand danebensteht. Schule kann nicht alles übernehmen. Wenn wir alles in die Schulzeit verlagern, nehmen wir den Familien auch ein Stück Eigenverantwortung.“
Blume widersprach: „Eltern sollen keine Ersatzlehrkräfte sein. Nicht jede Familie kann oder will das leisten. Lernen gehört dorthin, wo es pädagogisch begleitet werden kann – in die Schule.“
Priboschek griff die Reaktionen aus dem Chat auf: „Da schreiben viele Eltern, dass sie Hausaufgaben als Belastung empfinden – andere sehen sie als wichtiges Ritual. Man merkt: Das Thema berührt den Alltag von Familien ganz unmittelbar.“ Dann leitete er zur Schlussrunde über: „Schauen wir mal, wie unsere Gäste das zusammenfassen würden.“
Ausblick: Lernen ohne Hausaufgaben – Utopie oder Reformchance?
Zum Abschluss bat der Moderator die Gäste um ein kurzes Fazit: „Eine Schule ohne Hausaufgaben wäre …?“

Maximiliane Junghans: „… eine Schule, in der alle die gleichen Chancen haben. Weil dann niemand benachteiligt ist, nur weil zu Hause die Unterstützung fehlt.“
Bob Blume: „… ein Ort, an dem Lernen wieder Freude macht. Wo man Fehler machen darf, Fragen stellen kann – und wo Lernen nicht mit Druck verbunden ist.“
Stefan Düll: „… möglich – wenn die Strukturen stimmen. Wir brauchen kleinere Klassen, mehr Personal und echte Ganztagsstrukturen. Aber das geht nicht von heute auf morgen. Und es gibt auch Kinder, die zu Hause gut lernen – für die wäre ein verpflichtender Ganztag keine Verbesserung.“
Damit endete eine engagierte Diskussion, die zeigte: Der Streit über Hausaufgaben ist längst keine pädagogische Nebensache – er berührt Grundfragen von Gerechtigkeit, Verantwortung und Zukunftsfähigkeit des Bildungssystems. News4teachers
Der Bürgerrat wird von der Montag Stiftung Denkwerkstatt organisatorisch unterstützt. News4teachers ist Medienpartner des Bürgerrat-Talks.
Hier geht es zu den vollständigen Empfehlungen des Bürgerrats Bildung und Lernen.
Bürgerrat-Talk: Wie viel Selbstbestimmung verträgt das deutsche Schulsystem?









Wie viel mehr Zeit ich im Unterricht zum erklären hätte, wenn die Schüler A sich nur das Verstandene nochmal zuhause anschauen würden (verstanden ist nicht gelernt!) und B die Fachbegriffe Zuhause auswendig lernen würden! Ich erwarte doch gar nicht, dass zuhause Unverstanden es gemacht wird. Das sollte niemand. Aber nein, in NRW darf ich an Ganztagsschulen auch an Kurztagen keine Hausaufgaben mehr geben. Konsequenz: Das gesamte Material bleibt immer in der Schule, Zuhause wird gar nichts nochmal angesehen, auch nicht in den Hauptfächern. Im Doppelstundenmodell hat man dann 2 von 7 Tagen zB Mathe. Im schlimmsten Fall zB donnerstags und freitags. Donnerstags stehst du da nach 5 Tagen ohne Mathe und fängst wieder bei Null an. Jeden einzelnen Donnerstag. Das ist Irrsinn! So funktioniert Lernen nicht! Es braucht regelmäßige Wiederholung des Verstandenen.
Man weiß aus seiner eigenen Schülerzeit, dass man nicht immer aufmerksam im Unterricht war und in manchen Stunden einfach zu wenig mitbekommen hat. Das wurde dann in irgendeiner Form nachgearbeitet, und durch die Hausaufgaben wusste man genau, was man nicht mitbekommen hat. Ich verstehe die Diskussion nicht ganz. Die Schüler werden schon gar nicht mehr zum eigenständigen Nachdenken gebracht. Alles zu anstrengend. Die Konsequenzen werden verheerend sein.
Ich habe eine Vielzahl an Klassen alle zwei Wochen für zwei Stunden (1 Wochenstunde). Und wenn mal ein Feiertag ist etc., dann sehe ich die Klasse einen Monat nicht. Das kann man total vergessen.
“Diese Vertiefungsstunden sollen Übungszeiten in der Schule schaffen, damit alle unter denselben Bedingungen lernen können”. Er meint: alle unter den gleichen SCHLECHTEN Bedingungen lernen. 30 Schüler in einem Raum voller Hormone, ohne Sauerstoff, mit ständiger Ablenkung… Das ist die Realität. Stattdessen nachmittags Hausaufgabenhilfe für diejenigen, die es brauchen in kleinen Gruppen. Das wäre sinnvoll! Und wer selbständig arbeiten kann und die Ruhe Zuhause hat und braucht, warum in die Schule zwingen? Ich habe so viele Schüler mit sozialen Phobien usw die es kaum aushalten in einem Raum mit 30 Leuten…
Aus Erfahrung weiß ich (Mutter und ehemalige Lehrerin), dass manche Kinder nach dem Vormittagsunterricht erst mal eine Pause brauchen, um dann konzentriert ihre Hausaufgaben zu erledigen. Andere Kinder wollen die Hausaufgaben möglichst schnell fertig haben, damit sie den Rest des Tages ihren Interessen entsprechend verbringen können. Aus diesem Grund war ich schon immer ein Gegner der Ganztagsschule. Wenn man auf unterschiedliche Lernzeiten der Schüler teilweise Rücksicht nehmen kann, wird man bessere Schülerleistungen sehen.
Ich bin da ganz bei Herrn Düll.
Und eine Schule ohne Hausaufgaben ist keinesfalls eine mit Chancengleichheit. Ein Witz. Kann Herr Junghans sich sehr gerne an jeder Gesamtschule in NRW anschauen.
Gesamtschulen/Gemeinschaftsschulen sind in Deutschland heutzutage in der Regel nur auf Aufbewahrung ausgerichtet, nicht darauf, wie Kinder am besten lernen können.
Alles ist Mangelverwaltung. Die Politik hat bereits vor einiger Zeit das enorme Einsparpotenzial erkannt, das diese Schulform bietet. On top kam dann auch noch Inklusion.
Was müssen sich die Finanzexpert*innen in den Landesregierungen die Hände gerieben haben!
Die Anfänge dieser Schulart in Schleswig-Holstein waren übrigens geprägt von kleinen Lerngruppen und Förderung bei speziellen Lernschwierigkeiten. LRS, Mathe-Schwäche … Es wurden viele gemeinsame Ausflüge gemacht und an Projekten gearbeitet.
UND: Die Lehrkräfte hatten ein Stundendeputat von 16 (!) Stunden, um pädagogisch arbeiten zu können. Die meisten haben dadurch quasi in ihrer unterrichtsfreien Zeit Angebote gemacht.
Von dieser Zeit erzählen die Ehemaligen (S*S und LK) immer noch begeistert.
Bei uns an der Schule gibt es diverse Initiativen, um mehr Chancengleichheit herzustellen. Allerdings ist das unmöglich, weil die Lehrkräfte ja nicht mehr Zeit haben und in der unterrichtsfreien Zeit Verwaltung erledigen. Kinder mit Problemen können wir kaum an die Hand nehmen, weil hinter allem Verwaltungskram steckt.
Alle bemühen sich und die Kids fühlen sich gut aufgehoben. Das genügt aber nicht, um wirklich Chancengleichheit herzustellen.
Da kriegt man eben das, was bestellt und vergessen zu bezahlen worden ist.
Ich bin auch für Veränderungen wohl wissend, dass es keine einfachen und schnellen Lösungen gibt, ABER Frau Junghanns und Herrn Blumes Abschlußworte sind von Naivität kaum zu überbieten.
Düll betonte, dass es vor allem auf die Qualität der Aufgaben ankomme: „Gute Hausaufgaben vertiefen Wissen, schlechte erzeugen Druck. Das Problem ist nicht die Hausaufgabe an sich – es ist die Art, wie wir sie gestalten.“
Das ist vermutlich die wichtigste Aussage des Textes. Eine Aufgabe wird nicht dadurch sinnlos, dass man sie von der Schule nach Hause verlagert. Kein Schüler braucht bspw. eine besondere Betreuung, um Vokabeln zu lernen. Ein Schüler kann auch am Nachmittag mit dem Fahrrad die Umgebung erkunden und bspw. Baumblätter für ein Herbarium sammeln. Das ist in einer Einheit von max. 90 min kaum realisierbar.
Maximiliane Junghans bestätigte das aus Schülersicht: „In meiner Klasse merkt man das ganz deutlich. Manche bekommen Hilfe von ihren Eltern oder Nachhilfe – andere müssen alles allein machen. Und das sieht man auch an den Ergebnissen.“
[…]
Maximiliane Junghans ergänzte: „Viele in meiner Klasse nutzen KI sowieso – heimlich. Sie schreiben damit Texte oder lassen sich Aufgaben erklären. Ich finde, man sollte uns lieber zeigen, wie man sie richtig einsetzt, statt zu tun, als gäbe es das alles nicht.“
Es sollte nicht die Aufgabe der Eltern sein, Hausaufgaben zu erklären, sondern nur zu schauen, ob diese gemacht wurden. Wir leben in einer digitalisierten Welt. Die Schüler können sich zu nahezu jedem Thema ein passendes Erklärvideo anschauen und sich eine andere Erklärung geben lassen. Das ist doch ein Vorteil.
Warum sollte ein Schüler nicht KI nutzen, um sich z.B. eine Aufgabe erklären zu lassen? Was spricht dagegen? Wichtig ist eben nur, dass man sich nicht einfach die Aufgaben beantworten lässt, sondern selbst etwas lernt.
„Hausaufgaben sind ein Spiegel sozialer Unterschiede. Wer Unterstützung hat, kommt leichter durch. Wer allein ist, hat es schwerer. Das darf Schule nicht einfach hinnehmen.“
Wenn ich jeden Abend mit einem Kind eine halbe Stunde lese, dann hat es jede Woche mehr Lesezeit als in Deutsch der gesamten Schulwoche! Darf ich das in Zukunft nicht mehr, weil es unfair ist?
Wenn ich mit meinem Kind regelmäßig ins Museum gehe, hat es ein ganz anderes Wissen als jemand, der nur vor der Playstation hockt. Also keine Museumsbesuche mehr?
In solchen kleinen Dingen beginnt die Ungleichheit doch schon. Und während einige Schüler die Ferien “auf Balkonien” verbringen und nichtmal wissen, wo Paris in Europa liegt, werden andere schon durch den Louvre geschleppt. Egal, ob es dann Sprache, Kunst oder Kultur sind, oder ob man einfach im Urlaub ein Bergwerk oder eine Tropfsteinhöhle besichtigt, all das bewirkt einfach deutliche Unterschiede, die die Schule nicht auflösen kann.
Und so richtig groß werden die Unterschiede, wenn dann Jugendliche in der der 11. Klasse bspw. in die USA oder nach GB geschickt werden und danach mit geschliffenem Englisch glänzen können. All das wird auch ohne Hausaufgaben passieren!
Priboschek griff die Reaktionen aus dem Chat auf: „Da schreiben viele Eltern, dass sie Hausaufgaben als Belastung empfinden – andere sehen sie als wichtiges Ritual. Man merkt: Das Thema berührt den Alltag von Familien ganz unmittelbar.“ Dann leitete er zur Schlussrunde über: „Schauen wir mal, wie unsere Gäste das zusammenfassen würden.“
Ich würde die Sache folgendermaßen zusammenfassen:
Hausaufgaben sind an sich nicht gut oder schlecht, es kommt darauf an, wie sie gestellt sind. Wem es wichtig ist, der wird seine Kinder auch fördern, wenn es keine Hausaufgaben gibt.
Wenn die Eltern nicht inhaltlich helfen können, gibt es heute dank Erklärvideos und KI viele Möglichkeiten, sich etwas erklären zu lassen. Ansonsten kann man sich durchaus mit Freunden treffen und gemeinsam Hausaufgaben bearbeiten.
Wirklich wichtig ist aber, dass man in einem Eltermhaus aufwächst, in dem Anstrengungsbereitschaft und Bildung als wichtig angesehen werden, so dass der Wille zum Lernen da ist. Diese Eigenschaften kann die Schule nur ganz begrenzt vermitteln, aber ohne sie wird man grundsätzlich im Bildungssystem scheitern.
So ist es. Für mich bleibt das regelmäßige Wiederholen wichtig. Und das muss auch Zuhause stattfinden, da es im Unterricht allein zu selten ist.
Definitiv. Ich habe als Schülerin früher manches erst so richtig zu Hause durchdrungen, in dem ich es nochmal allein gerechnet oder gründlich durchgelesen habe.
Wieso empfinden eigentlich die Eltern die Hausaufgaben als Belastung? Das ist doch Angelegenheit ihrer Kinder (abgesehen vielleicht davon, dass sie mal nachfragen oder einen Denkanstoß brauchen, wenn sie nicht weiterkommen, was ja okay ist). Ich glaube, da steckt noch etwas anderes dahinter, nämlich, dass heute manche Eltern so erziehen, dass sie eher die Freunde ihrer Kinder sind und jeglichen Konflikt vermeiden wollen und wenn das Kind “keine Lust” auf Hausaufgaben hat oder sich lieber mit dem Handy beschäftigt, gibt es natürlich einen Konflikt. Klare Grenzen zu setzen, das Handy im Zweifel auch mal wegzunehmen (oder während der Hausaufgabenzeit grundsätzlich nicht im Kinderzimmer liegen zu haben), das bekommen viele Eltern nicht mehr hin. Da wird dann lieber gesagt: Hausaufgaben sollte man abschaffen, die bringen eh nichts – ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein, dass dann noch weniger geübt wird.
Ich kann mich noch gut an die Coronazeit erinnern, da schrieb mir eine Mutter: Machen Sie bitte mehr Videokonferenzen (ich hatte selbst zwei Grundschulkinder daheim und mein damaliger privat-PC war nicht mehr so fit), damit ich in Ruhe arbeiten kann und mich nicht ständig mit meinem Kind auseinandersetzen muss, dass es arbeitet, ich möchte meine Beziehung zu ihm nicht gefährden (…).
Ich stimme Ihnen zu. Allerdings waren Coronazeiten eine Ausnahmesituation, meiner Meinung nach. Da mussten Kinder alleine am Tisch sitzen ohne Möglichkeit, sich mit jemandem zu unterhalten, weil Eltern auch arbeiten mussten. Unter solchen Umständen ist es kompliziert für viele Kinder, motiviert selbständig zu lernen.
Das stimmt natürlich! Ich bezog mich hier auch eher auf die Einstellung der Eltern bzgl. (Haus)aufgaben und Arbeitshaltung ihrer Kinder, die ja nicht nur während der Coronazeit so war.
In den Klassenarbeiten möchte ich sehen, dass die Schüler das Gelernte anwenden können. Wir üben das natürlich im Unterricht, da antworten dann einzelne Schüler und die anderen nodden zu den Antworten. Schön. Es aber selbst zu tun steht auf einem ganz anderen Blatt. Wer das nicht ausprobiert wird in den Arbeiten ein Problem haben.
Genau dafür sind Hausaufgaben da: selber probieren, ob es funktioniert. Nicht die Familie, nicht die KI, nicht Google.
Anderswo erklären uns Schülervertreter stets, sie seien die Experten für die digitale Welt, KI und Co. Warum also nicht die KI oder Erklärvideos nutzen? Tatsächlich sollte es Schülern ohne Hilfe der Eltern heute doch viel leichter fallen, Aufgaben daheim zu erledigen als in den 90ern, wo es zuhause vielleicht ein Lexikon gab oder eben nicht. Meine Eltern waren keine Akademiker, ab einem gewissen Punkt konnten sie mir einfach nicht mehr helfen.
Übungsstunden in den Schulen werden ebenfalls nicht aus den Rippen geschwitzt. Für die Kinder bedeuten diese längere Schultage und weniger Zeit für Hobbys. Hausaufgaben kann man sich relativ frei einteilen. Wenn ich meinen Kindern über die Schultern schaue, geht es in den meisten Fällen ohnehin nur um eine Wiederholung oder leichte Vertiefung des Stoffes, der im Unterricht behandelt wurde.
Sehe ich auch so. Wir haben an unserer Schule sogar noch mehr sog. “Intensivierungsstunden” (BY) als an anderen Schulen, wo man extra den Stoff wiederholen, üben und vertiefen können. Ohne Noten und Hausaufgaben. Das wird von vielen SuS regelmäßig als Spaßstunde angesehen und nicht richtig ernst genommen (nicht von allen natürlich).
Und zum Thema digital natives: Jedes Jahr muss ich (denselben Klassen!) wieder und wieder erklären, wie man die Website eines bekannten Schulbuchverlags aufruft, dort gleich oben im Suchfeld den Code aus dem Lehrbuch eingibt, um sich die Hördateien der Lektion (inkl. Erklärvideos) runterzuladen. Das sind ungefähr zwei Klicks und viele bekommen das einfach nicht hin!
Da haben einige wohl den Sinn von Hausaufgaben nicht so ganz verstanden. Ich will gar nicht, dass Eltern die Hausaufgaben machen oder alles erklären. Jeder soll so weit kommen, wie er es eben kann. Und wenn es irgendwo hakt, dann sollen die SuS das Problem oder die Fragen formulieren und an ihre Hausaufgaben dran schreiben. Dann kann ich schauen, wo es u.U. noch hängt und wir können die Fragen besprechen. Machen die Eltern die Hausaufgaben, weiß man nicht, wo das Kind steht. Ist aber auch ein wenig das Problem der Eltern, die meinen, dass nur Hausaufgaben ohne Fehler gute Hausaufgaben sind.
Und Hausaufgaben sind eben zum üben, Fachsprache üben, Definitionen lernen, Formeln lernen etc.
“…wenn es irgendwo hakt, dann sollen die SuS das Problem oder die Fragen formulieren …” und das am besten schon im Unterricht, dazu muss man allerdings dem Unterricht aufmerksam folgen. Fragen stellen im Unterricht ist doch sicher auch heute noch erlaubt? Falls die Probleme doch erst bei den HA auftauchen, dann natürlich in der darauffolgenden Stunde. So war es in meiner Schulzeit und so habe ich es mit meinen Schülern gehandhabt. Wenn allerdings keine Fragen von den Schülern kommen, gehe ich davon aus, das alles verstanden wurde, Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lehrer Fragen heute nicht mehr beantworten.
Eben. Gibt es keine Fragen, dann scheint alles klar. Sag ich den Kindern auch immer. Fragt, sonst kann ich euch nicht helfen. Ich kann ja nicht in den Kopf gucken.
Ich verstehe nicht, was das Ziel der Schule ist: Kinder sollen was lernen oder es zählt, nur was sie moglichst alleine begriffen haben?
Wenn das erste – warum ist es schlecht, dass einige Kinder Hilfe und guten Rat zu Hause bekommen? Die benachteiligte Kinder können zusätzlich unterstützt werden in der Schule. Bei Schwierigkeiten wäre es schön, sie in der Klasse besprechen zu können.
Das ist keine Gerechtigkeit, dass alle gezwungen werden, in einem überfüllten Raum zu festsen Zeiten HA zu machen. Gerecht wäre es, eine Förderung bei Bedarf und schnellere Rückmeldung, wenn HA erledigt sind.
Aus meiner Erfahrungen, HA sind sehr wichtig. Die Zeit in der Schule ist nicht genug, das Stoff git zu befestigen
Wenn es keine festen Zeiten gibt, wie soll Schule dann funktionieren? Lehrer auf Abruf? Diese “Organisationsform” von Schule hat nichts mit Ungerechtigkeit oder Gerechtigkeit zu tun. Schule ist etwas Verbindliches und das ist auch gut
Hausaufgaben werden nicht durch mehr Schulaufgaben ersetzt. Nicht jeder hat Zugriff auf störungsfreie Klassenräume mit 25-32 Kinder. Mehr Schule ersetzt nicht Hausaufgaben, die sowieso nicht benotet werden dürfen.
“Sie sind dazu da, dass man das, was man gelernt hat, zu Hause selbstständig noch einmal anwendet. Das ist doch genau die Idee.”
Wenn die Eltern das Kind an die Hausis setzen, sehe ich da nicht die “Eigenverantwortlichkeit” von der Düll schreibt, sondern günstige Rahmenbedingungen.
Aber hey, Schule kann ja nicht alles leisten – Eltern sollen es aber dennoch -__-
Ich teile voll und ganz Dülls Meinung, dass es die “richtigen” HA seien müssen und das Schüler*innen Eigenverantwortung lernen müssen, ohne dass die Lehrkraft über die Schulter guckt.
Aber das ist heutzutage (fast) induviduell und lässt sich nicht durch das Rufen von “Eigenverantwortung” lösen
“Manche bekommen Hilfe von ihren Eltern oder Nachhilfe – andere müssen alles allein machen. Und das sieht man auch an den Ergebnissen.“
Ich glaube, das gute Mädchen hat tatsächlich nicht verstanden, wofür Hausaufgaben gut sind. Und das hier nicht in erster Linie die am nächsten Tag vorzuzeigenen “Ergebnisse” das Wichtige sind.
Ich vermute, die meisten Lehrer würden viel lieber ein “fehlerhaftes” Ergebnis sehen, das zeigt, dass sich der Schüler mit der Sache auseinander gesetzt hat, als ein “perfektes” Ergebnis, egal, ob jetzt durch Elternhilfe, Nachhilfe oder KI gepusht.
Sich alleine mit einem Problem auseinander zu setzen ist im Übrigen etwas, was man unbedingt lernen sollte. Insofern denke ich fast, dass die oben zitierten Schüler, “die alles alleine machen müssen” im Endeffekt viel mehr profitieren als die, die immer Hilfe erwartet und erhalten können.
Perfektes Ergebnis muss nicht sein, aber Hilfe zu kriegen ist nicht schlecht.
Als wir in der Schule begonnen haben, chemische Formeln zu schreiben, verstand ich absolut nicht, wie man richtig Koeffizienten stellen soll, die Erklärung vom Lehrer hat mich nicht weiter gebracht. Zu Hause hat meine Mutter mir das besser (besser für mich) und in passendem Tempo erklärt, ich löste ein paar Beispiele und dann konnte selbständig HA machen. Wäre es besser gewesen, wenn ich nichts gemacht hätte und blöd in der Schule gesessen hätte, bis jemand mir das beigebracht hätte, wenn es auch viel schneller ging?
Unterstützung zu bekommen, bedeutet nicht, nicht selbständig zu arbeiten. Es kann eine kleine Erklärung, in Impuls, eine Idee sein. Den Rest erledigt ein Kind selber.
Eigentlich müsste der Lehrer bei solchen Verständnisproblemen, auf Nachfrage der Schüler, auch einen anderen “Lösungsweg” parat haben. Wie heißt es doch so schön: “Viele Wege führen nach Rom!” Schön, dass Ihnen Ihre Mutter helfen konnte, das können sicher nicht alle Eltern. Aber haben Sie das damals in der Schule, bei Ihrem Lehrer auch angesprochen, konnte/wollte er es nicht noch einmal anders erklären??
Ja, ich habe den Lehrer angesprochen und konnte trotzdem nichts verstehen. Vielleicht weil es immer Zeitdruck da war oder passte mir einfach die Erklärung nicht.
Ich denke, dass es gar nicht schlecht ist, wenn jemand Hilfe außer Schule bekommt. Lehrer haben dann mehr Kapazität für andere Kinder.
Zeitdruck könnte ein Grund sein oder der Lehrer war ein sogenannter “Fachidiot mit Tunnelblick”. Kommt eben auch vor.
Natürlich ist Hilfe und Unterstützung immer gut, können eben leider nicht alle Eltern leisten.
In meiner Schul- und Studienzeit haben wir uns oft (außerhalb von Schule) gegenseitig bei den HA geholfen und gemeinsam gelernt, keiner hatte Akademikereltern und die Eltern arbeiteten und hätten dafür auch keine Zeit gehabt, mit uns die HA zu machen. Abends wurde nur geschaut, ob diese erledigt waren (bis etwa 2. Klasse). Es wurden mal die Malfolgen durch die Eltern abgefragt (so nebenbei) oder auch mal ein Gedicht abgehört. Mehr war da nicht.
Hausaufgaben sind wichtig, damit der Stoff noch einmal wiederholt und fixiert wird. Oder sollen die Pisa-Egebnisse verschlechtert werden?
Die Pisa-Ergebnisse werden nicht dadurch besser, wenn (schwache) Schüler*innen Hausaufgaben erhalten, welche sie ohne gebildete Eltern mit entsprechenden Sprachkenntnissen nicht lösen können.
KI und gutes, altes Abschreiben kommen hinzu. Ich persönlich halte Hausis für wichtig, muss aber auch mitplanen, dass nicht alle liefern (können) :/
Hausaufgaben dienen auch dazu, sich selbst darüber klar zu werden, was man nicht versteht oder verstanden hat und dies in Worte zu fassen. Es dient der Unterrichtsnach- und -vorbereitung. Mit den Fragen geht man dann in den Unterricht und klärt sie.
Es geht darum, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, das Gelernte zu festigen und sein Gehirn zu benutzen. Meinen die Leute wirklich, dass eine Vertiefungsstunde a 45 Minuten in der Woche die Probleme löst? Die wird von den wenigsten ernst genommen, und man ist ziemlich viel damit beschäftigt für Ruhe zu sorgen,
Eine Schule ohne Hausaufgaben wären übrigens Nachmittage mit noch mehr Medienkonsum. Vielleicht wären einfach viele Elternhäuser an der Reihe, dafür zu sorgen, dass der Medienkonsum ihrer Kinder etwas zurückgefahren wird, die Kinder weniger aufgewühlt und übernächtigt am Unterricht teilnehmen und sich besser konzentrieren könnten. Und vielleicht würde es ohne Handy neben den Hausaufgaben auch mit den Hausaufgaben klappen.