Lehrermangel: Als Sportlehrer noch mit 80 im Schuldienst (und er verlängert)

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BAD FALLINGBOSTEL. Noch mit 80 freut sich Manfred Lüssenhop auf die langen Sommerferien. Der wohl älteste Sportlehrer Deutschlands will noch ein Schuljahr dranhängen – auch wenn sich vieles verändert hat.

«Cooler Typ.» (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Elegant wirft Manfred Lüssenhop den Basketball auf den Korb in der renovierten Turnhalle, erklärt geduldig die Armführung und das Abklappen des Handgelenks. Technisch ist der 80 Jahre alte Sportlehrer in allen Ballspielen versiert, Tennis und Tischtennis spielte der Walsroder selbst in höheren Ligen. Braungebrannt, mit Brille und im schwarzen Trainingsanzug erkennt ihn jede und jeder in der Lieth-Oberschule in Bad Fallingbostel. «Er ist ein toller Kollege, die Schüler lieben ihn», sagt Schulleiter Andreas Dzionsko, «er hat ein pädagogisches Händchen».

Dzionsko muss es wissen, lernte er doch als Zehnjähriger bei ihm die Grundlagen des Tischtennisspielens im Verein. «Er ist ein echtes Urgestein. Dass er Spaß daran hat, sieht man ja», meint er lachend. Der stets gut gelaunte «Eddi», wie ihn das Kollegium nennt, freut sich auch im hohen Alter noch auf die Sommerferien. «Man muss sich von den Schülern erholen, Schule hat sich verändert», sagt der Senior. Zwar war er 2009 nach seinem 65. Geburtstag offiziell pensioniert worden, ließ sich aber sofort überreden, auf Honorarbasis 14 Stunden die Woche dabei zu bleiben.

Neben Sport – auch am Nachmittag in AGs – unterrichtet der gelernte Tischlermeister Werken. Eigentlich sollte der Sohn den Meisterbetrieb des Vaters übernehmen, doch er ging seinen eigenen Weg, studierte nach seinem Meisterbrief zunächst Innenarchitektur in Hildesheim und später Sportwissenschaften in Hannover. Seine Großmutter habe ihm dabei finanziell unter die Arme gegriffen.

«Cooler Typ», «Einer der besten», sagen einige Kinder, die es auf den Fluren kurz vor den Ferien gerade eilig haben. «Ich habe Spaß gehabt bei ihm», berichtet die zwölfjährige Ayla. 50 Jahre unterrichtet Lüssenhop am gleichen Ort – inzwischen vorrangig die fünften und sechsten Klassen. «Ich mache das gern, ich komme vom Sport. Der liebe Gott hat es gut mit mir gemeint, ich habe ja nichts mit dem Rücken oder so. Ich bin fit», betont der Vater zweier erwachsener Kinder – nach eigenen Angaben der älteste Sportlehrer im öffentlichen Schulsystem in Deutschland.

«Es gibt ganz tolle Schüler, aber manche haben teilweise keinen Bock»

Aber eigentlich sei es ein Armutszeugnis, dass ein Senior die Aufgaben der dringend gesuchten Fachkräfte im Bildungssystem übernehmen muss. «Es gibt einfach zu wenig Anreize für Lehrer, die Motivation für ein Studium ist bei den schwierigen Bedingungen in den Schulen gering», erklärt Schulleiter Dzionsko. Für die Sekundarstufe eins benötige er eine hauptamtliche Sport-Lehrkraft.

Der Unterricht habe sich verändert, erzählt auch Lüssenhop: «Es gibt ganz tolle Schüler, aber manche haben teilweise keinen Bock.» Oft werde Sportzeug vergessen, das Interesse richte sich nur noch auf den privaten Bereich. Das Handy und Tiktok sei wichtiger als das gemeinsame Lernen. «Manche Kollegen brauchen eine Viertelstunde, um die Kinder ruhig zu kriegen», berichtet er über die fehlende Konzentration in den Klassen.

Gravierend seien die Zunahme der Nichtschwimmer, von 22 Kindern könnten sich meist 8 nicht über Wasser halten, berichtet er: «Manche waren noch nie in einem Schwimmbad.» Bei ihm lernen sie es dann. «Ich bin ein Allrounder.»

Aber nicht alle ziehen mit. In diesem Schuljahreszeugnis gab Lüssenhop vier Schülern einer siebten Klasse eine Fünf. Die 13-Jährigen hätten kaum mitgemacht, größtenteils nicht einmal Klamotten dabeigehabt. Lieber ist ihm, wenn er die Kinder gleich in der Fünften bekommt und zwei Jahre mit ihnen verbringen kann. In der Zeit könne er ihnen etwas von seiner Leidenschaft für Bewegung vermitteln.

Auch Hausmeister Gerhard Pieczonka ist von Lüssenhop beeindruckt: «Das ist ungewöhnlich, wie eine alte Eiche.» Kein Fest gehe an ihm vorbei, bei allen Zeugniskonferenzen könnten die Kollegen auf ihn zählen. Und wie lange will er noch unterrichten? «Das hängt von der Gesundheit ab, ewig kann ich das natürlich nicht machen», sagt der Sportsmann und verschwindet leichten Schrittes, um sich für die nächste Konferenz umzuziehen. Von Britta Körber, dpa

Pensionäre sollen den Lehrkräftemangel beheben – ein Tropfen auf dem heißen Stein

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mama51
5 Tage zuvor

BRAVO!
CHAPEAU!

TaMu
5 Tage zuvor

Respekt!

RainerZufall
5 Tage zuvor

Wahnsinn, wie jemand dem jahrzehnterlangen Versagen der Bildungspolitik die Stirn bietet!

Und jetzt eine Sportmontage: sepia-Töne, Swing-Musik, Medizinbälle, das ganze Programm! 😀

Teacher Andi
5 Tage zuvor
Antwortet  RainerZufall

Sparen Sie sich Ihren Zynismus. Oder kennen Sie sich so gut aus im Sportunterricht?

RainerZufall
4 Tage zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Das kam leider falsch rüber. Ich habe wirklich Respekt vor diesem Mann, konnte mit aber die Spitze nicht verkneifen, dass Deutschland auf alte Lehrkräfte (absolut) angewiesen ist.

Wie ein Postbote zu Pferde: Hammertyp! Höchst bedenkliches System!
(Werde dem Mann offensichtlich nicht gerecht, WILL ABER auf das System abätzen)

Lisa
5 Tage zuvor

Ich finde den Kollegen Lüssenhopp großartig..
Ich habe bei solchen Berichten nur immer Sorge, dass man das Gleiche von allen Lehrern erwarten könnte “ Seht doch, es geht doch“ 🙁

mama51
5 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Och, nööö…. ☹️
Die ewigen Bedenkenträger!

Der Mann hat Spaß, die nötigen Kompetenzen, ist fit, … / Die meisten in dem Alter halt nicht mehr sooo fit, also: Was soll’s!!??!

Bla
4 Tage zuvor
Antwortet  mama51

Darum ging es doch gar nicht als Aussage von Lisa…

Ganz im Gegenteil. Nochmal lesen und selbst (be-)denken.
Hilfestellung: Sie sehen das anders, als ein Arbeitgeber, welcher Fachkräftemangel (und ggf. „Druck“) hat.

mama51
4 Tage zuvor
Antwortet  Bla

…habe gelesen! Danke!
Ich bin lediglich der Ansicht, dass sich jetzt nicht gleich ALLE LuL die größten Sorgen machen müssen (Panik!), dass die KMK nach Kenntnis eines (!!!) altersmäßigen Überfliegers plötzlich (auch nicht mittelfristig) die Arbeitszeit aller LK auf (Untergrenze) bspw. 75 Jahre hochsetzen wird…

Bla
3 Tage zuvor
Antwortet  mama51

Ja, mache ich mir auch nicht. Auf die Idee kommen sie auch ohne die Erkenntnis eines Überfliegers.
[Ist jetzt mehrdeutig …]