Philologen: Beherrschung von Rechtschreibung nicht verhandelbar – trotz KI

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BERLIN. Muss Rechtschreibung in Zeiten von KI und intelligenten Korrekturprogrammen überhaupt noch intensiv gelernt werden? Unbedingt, fordern die organisierten Gymnasiallehrkräfte und warnen vor einer Aufweichung.

„Fatales Signal“: Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands. Foto: Deutscher Philologenverband

Der deutsche Philologenverband warnt davor, angesichts von Korrektur-Programmen und Künstlicher Intelligenz (KI) die souveräne Beherrschung der deutschen Rechtschreibung infrage zu stellen. Diese sei auch in Zeiten von KI nicht verhandelbar, hieß es am Dienstag in einer Mitteilung des Verbands. Die Vorsitzende Susanne Lin-Klitzing kritisierte Aussagen von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Der Grünen-Politiker hatte kürzlich in einem «Zeit»-Interview gesagt: «Ich frage mich: Ist Rechtschreibung tatsächlich so wichtig, wenn das Schreibprogramm alles korrigiert?» (News4teachers berichtete.)

Korrekturprogramme nannte Link-Klitzing hervorragende Hilfsmittel, die aber klug eingesetzt werden müssten. «Eine Aufweichung der Bedeutsamkeit der Rechtschreibregeln für den Schulunterricht wäre ein fatales Signal für den Bildungsstandort Deutschland.» Der Konsens über gemeinsame Rechtschreibregeln sei eine gewaltige Errungenschaft. «Wenn wir uns nicht einmal auf gemeinsame Rechtschreibregeln einigen können, worauf wollen wir uns dann überhaupt noch einigen?», frage Lin-Klitzing.

Der Verband, der hauptsächlich Gymnasiallehrkräfte vertritt, verwies auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Jahr, bei dem es um Fragen der Bewertung der Rechtschreibung in Zeugnissen bei Schülern mit Lese-Rechtschreib-Störung ging. Grundsätzlich hatten die Richter die Bedeutung der Rechtschreibung hervorgehoben. «Die Aufgabe der schulischen Vermittlung von Rechtschreibregeln und deren Bewertung hat sich durch die Entwicklung selbstlernender Rechtschreibprogramme nicht überholt», hieß es. Die Beherrschung der Regeln sei notwendig, um Wörter in ihrer wiederkehrenden Gestalt schnell ganzheitlich und in ihrer richtigen Bedeutung erfassen zu können. Die Fähigkeit zu störungsfreier Kommunikation setze auch die Beherrschung von Rechtschreibregeln voraus.

„Selbst wenn Sie mit einem KI-Chatbot sinnvoll kommunizieren wollen, müssen Sie sich auf gemeinsame Regeln festlegen“

Lin-Klitzing: «Das Bundesverfassungsgericht führt erfreulicherweise noch weiter aus, dass es deshalb naheliegend sei, ‚die Rechtschreibkompetenz zum Bestandteil der durch das Abitur vermittelten allgemeinen Hochschulreife zu machen. Damit trägt auch die Bewertung der Rechtschreibkenntnisse nach allgemeinen Kriterien dazu bei, einen chancengleichen Zugang der Abiturienten zu Ausbildung und Beruf zu ermöglichen‘. Die Beherrschung der deutschen Rechtschreibregeln ist aber natürlich nicht nur für das Abitur notwendig, sondern für alle Schulabschlüsse und sie sollte selbstverständlich im täglichen Gebrauch zum Ausdruck kommen. Denn sie schafft Verständlichkeit und Klarheit. Nicht zuletzt zeigt sie Respekt gegenüber den Rezipienten eines Textes und erleichtert auch die Kommunikation mit Nichtmuttersprachlern.»

Der von Kritikern des Erlernens von Rechtschreibregeln ins Feld geführten Argumentation, Schreibprogramme würden ohnehin alles korrigieren, entgegnet Lin-Klitzing: «Natürlich sind Korrekturprogramme ein hervorragendes Hilfsmittel. Aber um Hilfsmittel klug einzusetzen, muss ich einschätzen können, wie gut das von mir gewählte Hilfsmittel überhaupt ist. Auch im Jahr 2024 hat eine Zeitung, Zeitschrift oder Website, die sich nicht um die Regeln der deutschen Rechtschreibung kümmert, innerhalb von Sekunden ein massives Glaubwürdigkeitsproblem. Selbst wenn Sie mit einem KI-Chatbot sinnvoll kommunizieren wollen, müssen Sie sich auf gemeinsame Regeln festlegen. Eine Maschine, die keine korrekten Anweisungen bekommt, funktioniert nicht einwandfrei. Programmiersprachen zeichnen sich übrigens durch eine geradezu brutale Exaktheit und rigide Regeln aus. Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum wir uns genau davon beim schriftlichen Gebrauch unserer Sprache verabschieden sollten.» News4teachers / mit Material der dpa

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