Kapitulation? Rechtsextreme Übergriffe an Schule bleiben strafrechtlich ohne Konsequenzen

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BURG. Ein Jahr nach den rechtsextremistischen Vorfällen an einer Schule in Burg hat die Staatsanwaltschaft Cottbus fünf Verfahren eingestellt. Damit sei die juristische Aufarbeitung der rechtsextremen Übergriffe an einer Schule im brandenburgischen Burg weitgehend abgeschlossen, berichtet der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) – praktisch ohne Konsequenzen. Unterdessen verlassen drei weitere Lehrkräfte, die sich gegen die Zustände zur Wehr gesetzt hatten, die Schule. 

Im Netz kursiert dieses Foto, das Schüler der Schule zeigen soll. Foto: Screenshot

Auf Anfrage teilte die Staatsanwaltschaft dem rbb mit, dass es insgesamt sieben Ermittlungsverfahren gegeben habe. Fünf Verfahren seien eingestellt worden, in einem Fall wird nach Abschluss der Ermittlungen gegen einen Jugendlichen geprüft, was nun geschehen soll. Ein weiterer Fall sei bereits im September vergangenen Jahres an die Staatsanwaltschaft Chemnitz abgegeben worden.

In der Mehrheit der Fälle ging es um den Vorwurf, dass verfassungsfeindliche Symbole gezeigt worden waren: Es ging um das mehrfache Zeigen des Hitlergrußes und Hakenkreuz-Schmierereien. In Chats sollen auch rassistische oder homophobe Inhalte geteilt worden sein. Alle Verfahren richteten sich gegen Kinder oder Jugendliche.

In einem der Verfahren, bei dem mehrere Jugendliche den Hitlergruß gezeigt hatten, seien die Ermittlungen gegen zwei der Beschuldigten schon „aufgrund deren Strafunmündigkeit“ eingestellt worden. Die anderen Beschuldigten seien zum Tatzeitpunkt zwischen 14 und 16 Jahre alt gewesen. Ihrer Tat habe „ein jugendtypisches, unreflektiertes und gruppendynamisches Verhalten zugrunde gelegen“, begründete die Staatsanwaltschaft Cottbus die Einstellung des Verfahrens.

Vor einem Jahr hatten eine Lehrerin und ein Lehrer aus Burg im Spreewald in einem anonymen offenen Brief geschildert, dass sie täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert seien (News4teachers berichtete). Nach Anfeindungen aus der rechten Szene verließen sie die Schule.

Eine Schülerin bestätigte in einem Bericht die Vorwürfe. Sie erklärte: «In den Pausen kommen uns Schüler:innen mit gehobener Hand, dem sogenannten Hitlergruß entgegen, doch die meisten Lehrer:innen schauen nur weg und unternehmen nichts. Auch im Unterricht macht man sich über Schüler:innen, die die rechtsradikale Einstellung nicht vertreten, lustig und man bekommt Sätze wie zum Beispiel ‚Ihr scheiß linken Zecken, geht ’nen N*gga ficken und frisst seine Scheiße‘ zu hören. Mittlerweile ist dieses Verhalten schon so weit, dass Schüler:innen Angst haben, denn sie wissen nicht, wozu diese Leute an ihrer Schule noch fähig sind.»

Seit einem dreiviertel Jahr versucht ein neuer Schulleiter, den Rechtsextremismus an der Oberschule zurückzudrängen. Offenbar mit nur mäßigem Erfolg: Wie der rbb meldet, ist die Lehrerschaft bis heute gespalten. Drei weitere Lehrkräfte, die sich in den vergangenen Monaten für ein friedliches und demokratisches Miteinander an der Schule stark gemacht hatten, möchten dem Bericht zufolge nun versetzt werden. News4teachers

Was passiert, wenn Demokratiebildung ausbleibt, zeigt sich jetzt in Ostdeutschland

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16 Kommentare
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unfassbar
9 Tage zuvor

Das Schulgesetz wurde halt so gebastelt, dass den Schülern fast nichts passieren kann. Geliefert wie bestellt.

447
8 Tage zuvor
Antwortet  unfassbar

Ein gutes Beispiel dafür, ja.
Geliefert wie bestellt.

Rainer Zufall
7 Tage zuvor
Antwortet  unfassbar

Hatten Sie sich nicht beschwert, dass Gesetz müsse mehr Menschen vor dem Staat schützen?

Mika
9 Tage zuvor

„Ihrer Tat habe „ein jugendtypisches, unreflektiertes und gruppendynamisches Verhalten zugrunde gelegen“, begründete die Staatsanwaltschaft Cottbus die Einstellung des Verfahrens.“
Die Begründung lässt mich ratlos zurück: Es ist jugendtypisch, verbotene rechte Symbolik zu verbreiten, und deshalb ist es für diejenigen straffrei? Also weiter so in den Schulen, denn das beschreibt ja alterstypisches Verhalten, welches straffrei ist?
Davon abgesehen, dass ich es nicht alterstypisch finde, mich wie ein Nazi zu begrüßen und deren Symbolik zu verbreiten: als Lehrer fühle ich mich jetzt von AG und Judikative verlassen. Mir ist vollkommen bewusst, was sich ab jetzt an den Schulen abspielen wird. Und zwar nicht nur im Osten: der Mist schwappt nach allen Seiten, wie die Umfragen zeigen.

Canishine
9 Tage zuvor
Antwortet  Mika

Neben der Trotzphase, der Pubertät usw. jetzt noch eine kleine Nazi-Entwicklungsphase … das wächst sich aus (nur wozu?)

Mika
9 Tage zuvor
Antwortet  Canishine

Die Frage bleibt doch, ob strafbares Verhalten in „Entwicklungsphasen“ so dermaßen egal ist, dass es nicht mal ein Gerichtsverfahren dazu gibt. Mich erschüttert das Signal, welches die Staatsanwaltschaft Cottbus damit sendet: Ihr seid ja noch in der Entwicklung, macht gern weiter so, wir stellen das eh ein.

447
9 Tage zuvor

Für mich völlig unverständlich – nicht einmal mehr bei rechten Straftaten (Stichwort Hitlergruss) wird mehr durchgegriffen, hingelangt?
Stattdessen Entschuldigungs- und Relativierungsformen?

Bei allem anderen bin ich das ja schon gewöhnt bei „uns“ – aber jetzt sogar bei Rechtsextremismus, dem letzten Tabu, von dem ich dachte wenigstens das wird noch ernst genommen?

Pfffffffff…..*Luft entweicht*

Rainer Zufall
9 Tage zuvor
Antwortet  447

Es geht ja ums Strafrecht, konsequenzfrei darf solches Verhalten nicht bleiben.
Nun wird der lange Hebel des Rechtsstaat an die überschaubaren Händchen der Padägog*innen vor Ort übergeben…

Realist
9 Tage zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

„Nun wird der lange Hebel des Rechtsstaat an die überschaubaren Händchen der Padägog*innen vor Ort übergeben…“

Nö. Über Recht und Unrecht entscheidet die Judikative. Lehrer sind Teil der Exekutive. Da ist das Grundgesetz glasklar.

Also gibt es erst einmal eine pädagogische Maßnahme, evt. eine Ordnungsmaßnahme. „Strafen“ sind im Schulrecht nicht vorgesehen.

Mika
9 Tage zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Die Fotos sind außerhalb des Schulbesuchs entstanden, damit ist die Schule formal nicht zuständig und darf keinerlei Erzoehungs- oder Ordnungsmaßnahmen verfügen. Das Ganze bleibt also völlig konsequenzfrei. Was für ein Zeichen…

Rainer Zufall
7 Tage zuvor
Antwortet  Mika

War das Foto nicht von der Klassenfahrt? Ungeachtet dessen: habe ich KEINE Handhabe gegen Islamist*innen, weil die sich außerhalb der Schule radikalisieren?
Spannend, wenn das stimmen sollte…

Besseranonym
9 Tage zuvor
Antwortet  447

Pffff………Zumal: Nach „Kinder“ – und Jugendstrafrecht hätten mögliche Urteile nicht die Zukunft der Kids, die den blauen Köder geschluckt haben, zerstört.
Mögliche Folgen 1- Die können mir nix, schalte ich halt einen Gang vorwärts
2- Kann man ja mal ausprobieren, passiert ja nix ( der Blaufanclub wächst)
3 – wenn das Gericht gesagt hat……kann das ja nicht so schlimm.m sein
4 – Einschüchterung anders Denkender, Vertreibung ( s. Inzwischen 5 KollegInnen ), Missachtung der Freiheit/ Grundrechte anderer
5 – unendlich: Präzedenz Straffreiheit für andere ähnliche Taten wurde geschaffen ( die Jugendorganisation der AfD an sich ist verboten, aber Mitläufer gehen straffrei aus.)
Pfffff, Pfffff….

Rainer Zufall
9 Tage zuvor

Sofort das Alter zur Strafbarkeit absenken!
Kleiner Spaß, dass wäre ja dumm 😉

Aber ok, das Verhalten war nicht strafbar, RICHTIG war es aber auch nicht. Was gedenkt die Schule also zu tun, um diesen Kindern zu helfen? Die Lage sollte zumindest öffentlich genug sein, dass das Land eine Lösung begünstigen wollte, ja?

Hans Malz
9 Tage zuvor

Das wird den Mut der Lehrkräfte sicher stärken und sie werden in Zukunft konsequent gegen Schüler, Eltern und das rechtsextreme Umfeld vorgehen können. Schön zu sehen, wie den Lehrern der Rücken gestärkt wird. Und da wundert sich noch jemand, dass unser Schulsystem den Bach runtergeht und viele auf unsere tolle Justiz schimpfen?

Bitte keine gesellschaftlichen Probleme mehr abladen!

Besseranonym
3 Tage zuvor

“ Wie der rbb meldet, ist die Lehrerschaft bis heute gespalten“
Interpretiere ich so: EinTeil wählt blau(braun), andere xy.

Kann mir jemand erklären, warum im Spreewald – bei studierten Menschen
( u.a. Geschichte, Literatur…in Ausbildung und Studium.) das Hirn gegen Erfahrungswerte/andersrum läuft ? Liegt das an der Luft oder dem
‚ Freiheitsdrang ‚ oder sind die vielen Touristen so nervig, dass man dort rückwärts denkt oder will ?