Gymnasial-Lehrer sehen Leistungsloch und fordern kleinere Klassen, um das zu stopfen

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MÜNCHEN. Eine Umfrage des Bayerischen Philologenverbands (bpv) unter rund 1.700 Lehrkräften bestätigt: Die Lernrückstände bei den Schülerinnen und Schülern sind erheblich. Um die Lücken aufholen zu können, fordern die Kollegien vor allem ein: kleinere Lerngruppen. Stattdessen aber werden sie aktuell mit zusätzlichen Aufgaben überhäuft, so kritisiert der bpv.

Wie bekommt man die Lücke gestopft? Illustration: Shutterstock

Wenige Wochen nach dem Start in das neue Schuljahr hat der bpv seine Mitglieder an Gymnasien und Beruflichen Oberschulen in einer Umfrage um ihre Meinung gebeten. Aus den Antworten ergibt sich ein klares Stimmungsbild: 65 Prozent der teilnehmenden Lehrkräfte geben an, dass sie die Lernrückstände durch Corona in ihren Klassen als eher groß oder sogar sehr groß einschätzen. „Lehrplanerfüllung, Leistungserhebungen und Notenvergabe stellen also zusammen mit der Stärkung der Sozialkompetenz eine enorme Herausforderung dar“, so heißt es in einer Pressemitteilung.

Was es zum Gelingen braucht? Über drei Viertel (77 Prozent) sprechen sich für kleinere Lerngruppen aus. 58 Prozent der Lehrerschaft begrüßen die Schwerpunktsetzungen in den Lehrplänen, die Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) zur Entlastung von Schülern und Lehrern vorgenommen hat. Mit 57 Prozent ähnlich groß in der Lehrerschaft ist weiterhin die Gruppe mit dem Wunsch, die Corona-Tests aus der Schule auszulagern. Die Zeit für die Pandemiebekämpfung fehlt einfach an anderer Stelle im Unterricht.

„Aktuell rollen auf die Schulen mehrere On-Top-Aufgaben zu, die teils während der letzten beiden Schuljahre auf Eis lagen“

„Nach zwei von der Pandemie geprägten Schuljahren hofften alle Beteiligten auf mehr Normalität und Ruhe, um individuell und passgenau unterstützen und aufholen zu können“, sagt bpv-Vorsitzender Michael Schwägerl. „Doch aktuell rollen auf die Schulen mehrere On-Top-Aufgaben zu, die teils während der letzten beiden Schuljahre auf Eis lagen. Wir appellieren deshalb an das Ministerium, die Politik und schlussendlich auch an die Öffentlichkeit, hier eine realistische Erwartungshaltung einzunehmen und die Prioritäten dieses Schuljahres nicht aus den Augen zu verlieren.“

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Corona-Tests, Kontakt-Nachverfolgungen, Aufholen von Lernrückständen – an den Schulen gibt es wahrlich genug zu tun, so heißt es. „Dennoch sahen sich die Schulleitungen mit zusätzlichen Aufgaben und Projekten konfrontiert, als wäre 2021/22 ein völlig normales Schuljahr. Als Beispiele sind DigCompEdu Bavaria zur Ermittlung des Fortbildungsbedarfs an einzelnen Schulen im digitalen Bereich, die Einbindung des nun verbindlichen Medienführerscheins in die schulischen Medienbildungskonzepte sowie die Projektwoche Alltagskompetenzen (letztere nicht an FOS/BOS) zu nennen“, wie es in einer Pressemitteilung heißt.

Dazu meint Schwägerl: „So sinnvoll jedes einzelne Projekt auch ist, kann ich den Unmut an den Schulen gut verstehen. Die Pandemie beeinflusst den Unterrichtsalltag nach wie vor und fordert ihren Tribut. Selbst eingespielte Veranstaltungsformate, Exkursionen und Klassenfahrten sind mit deutlichem Mehraufwand verbunden. Da fehlt es einfach an Zeit und Ressourcen, die Projekte so zu realisieren, dass man ihnen und ihrer Intention wirklich gerecht wird. Wer soll das alles schaffen?“

Trotz der Zusatzbelastungen bestätigen die Umfrageergebnisse die hohe Einsatzbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen. An 96 Prozent der Schulen werden ungeachtet des pandemiebedingten Mehraufwands und beträchtlicher Unsicherheiten außerunterrichtliche Aktivitäten wie Exkursionen oder Klassenfahrten geplant und durchgeführt. Zudem nutzen nun 88 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer digitale Angebote für den Präsenz-unterricht. „Das beweist doch, dass alle bereit sind für den Neustart und die Weiterent-wicklung des Unterrichts nach der Pandemie. Aber was die Schulen jetzt brauchen, ist Ruhe und ein klarer Fokus auf die Prioritäten“, so betont der Philologen-Landeschef. News4teachers

GEW zu Aufholprogramm: „Bürokratisch, kompliziert, zu klein – eine Mogelpackung“

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7 Kommentare
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Susi
2 Jahre zuvor

„Als Beispiele sind DigCompEdu Bavaria zur Ermittlung des Fortbildungsbedarfs an einzelnen Schulen im digitalen Bereich, die Einbindung des nun verbindlichen Medienführerscheins in die schulischen Medienbildungskonzepte sowie die Projektwoche Alltagskompetenzen (letztere nicht an FOS/BOS) zu nennen“, wie es in einer Pressemitteilung heißt.“

Jahrelang verschlafen und nun aber schnell Ergebnisse her! Wie ein trotziges Kind, das schnell und ohne Rücksicht auf Verluste seine Schokolade haben will.

Zuerst hat der Bund diesen hochschwelligen sowohl mit fachlichen als auch personellen Bedingungen vollgestopften und seine Intention in voller Breite verfehlenden Digitalpakt auf den Weg gebracht und nun will man es aber schwarz auf weiß sehen, dass man in der Planung Mist gebaut hat und damit das Chaos während der Pandemie noch verschlimmerte.

Anstatt nun einzugestehen, dass man daneben lag und den Schulen nun Geld, Zeit und Vertrauen schenkt, kommt die nächste Ladung um die Situation an den Schulen wieder zu verschlimmern.

Eigentlich – und ich hasse dieses Wort- sollten die Schulen klagen gegen unfähige Politiker*innen und deren Erfüllungsgehilf*innen in der Executive.

Es reicht! Lasst die Schulen nun ihre Arbeit machen oder wollt Ihr mal?

Rosa
2 Jahre zuvor

Herr Ralf Scholl vom PhV-BW hat ein Corona Aufholjahr gefordert um den Schülern eine angemessene Aufarbeitung nach diesem langen Ausnahmezustand zur Verfügung zu stellen.https://www.phv-bw.de/phv-bw-zu-einem-corona-aufholjahr-fuer-schueler-am-allgemeinbildenden-gymnasium-durch-uebergang-auf-g9-ab-september-2021/ Leider ist seine Forderung von Frau Eisenmann und Frau Schopper nicht auf Gehör gestossen. Die Notlage wird von Frau Schopper nicht mit einer Ernsthaftigkeit verfolgt und als etwaige Lernrückstände zurecht gebogen. Die Leistungsspanne ist im Klassenverband sehr unterschiedlich und ein tragendes Konzept zur Aufarbeitung ist nach einem G7 Schuljahr an G8 Schulen nicht angekommen. Die Mogelpackung ist aufgeflogen und wird Tod geschiegen auf Kosten der Schüler. Die Lehrer könnnen den Schülern mit dem sehr unterschiedlichen Leistungsniveau nicht gerecht werden. Es gibt starke Schüler die vorne liegen mit ihren Leistungen und ein Schwanz der mit seinen Leistungen ganz hinten liegt. Eine Mitte gibt es im Klassenverband nicht und dies macht das Leistungsloch im Klassenverband für die Lehrer sehr schwer zu unterrichten. Viele Schüler brauchen eine ganz intensive Förderung die in dieser Klassenstärke nicht gewährleistet werden kann vom Lehrer. Die Mogelpackung trifft die G8 Schulen und die Schülerschaft sehr hart. Frau Schopper hat auch kurz vor den Herbstferien noch keine Farbe bekannt wie die Lernlücken aufgearbeitet werden können und es liegt auch kein tragendes Konzept vor um den Defiziten gerecht zu werden. Frau Schopper betreibt Augenwischerei und Blendwerk und hat die Notlage vieler Schüler nicht anerkannt und keine Lichtblicke gesetzt um die angehäuften Lernrückstände bewältigen zu können.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Rosa

Meiner Meinung nach sind die (echt) gymnasialen Kinder durch Corona kaum nennenswert in Rückstand geraten, problematisch sind die Gymnasiasten mit falscher Arbeitshaltung und der große Teil aller Kinder auf den Schulformen ohne Regelübergang in die eigene Oberstufe. Wieso interessieren Sie sich nicht für die?

Palim
2 Jahre zuvor
Antwortet  Rosa

Wenn es so viele echte und unechte SchülerInnen gibt, dann ist das, was die Philologen fürs Gymnasium fordern alles Quatsch.
Man sollte am Gym sämtliche zusätzlichen Mittel streichen, damit die „echten“ Schüler der „echten“ Lehre gegenüberstehen, alles andere können sie außerschulisch bewältigen.

Also weg mit Förderung, Profilen, Neigungskursen und AGs an Gymnasien,
die Lehrkräfte werden an den Schulen dringender gebraucht, an denen die „unechten“ Schüler unterrichtet und gefördert werden.

Georg
2 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Sie wissen ganz genau, was mit „echten Realien“ gemeint ist. Falls nicht, erkläre ich es gerne:

Echte Realschüler sind diejenigen, die an der Realschule ohne Nachhilfe oder sich zu überarbeiten gut mitkommen.

Entsprechendes auch bei echten Gymnasiasten.

Carsten60
2 Jahre zuvor
Antwortet  Rosa

Wo bleibt jetzt die schulpolitische Richtigstellung von Gerd Möller? Wenn ich das geschrieben hätte, würde bestimmt was Herablassendes kommen. Es würde heißen, allein die Bezeichnungen „Realschulkinder“ und „Hauptschulkinder“ seien in höchstem Maße menschenverachtend und somit „rechtes Gedankengut“. Und außerdem sei das nicht wissenschaftlich begründet.

D. Orie
2 Jahre zuvor

Vielen Dank für Ihre guten Kommentare!